Die
Tore der Atlanter
Hermann Büsken
46325 Borken Nikolaus Großstr. 3
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Jugendfrei
Eine Fantasy-Abenteuer-Geschichte, in der Jetztzeit und in der
Vergangenheit.
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Vita
Schon in
jungen Jahren habe ich viel gelesen. Kein Karl May war vor mir sicher.
Später schlug ich die Richtung Perry Rhodan und artverwandte Bücher ein.
UFO-Literatur, und Esoterik, aber auch ganz normale Taschenbücher runden
das Bild ab. Als ich nichts Besseres hatte, einen Gruselroman las, und
mich über die primitive Ausdrucksweise wunderte, stellte ich fest, das
hättest du besser gekonnt. Ab diesem Zeitpunkt reifte der Plan, selber
ein Buch zu schreiben. Ich habe mir dafür ein paar Jahre Zeit gelassen,
da ich nur geschrieben habe, wenn ich in Stimmung war. Dabei habe ich
festgestellt, dass es Zustände gab, in dem ich mich nur hinzusetzen
brauchte und mein Stift ein Eigenleben entwickelte. War vorher alles
festgefahren, wurden plötzlich Probleme gelöst und neue Ideen geboren.
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass ich unsichtbare Hilfe hatte.
Ich hatte dann beim Schreiben ein Erlebnis, das mich lehrte, dass es
auch eine böse Seite gab.
siehe hier:
Ich habe mich gefühlvoll in die Lage des Entdeckers der „Tore der
Atlanter“ versetzt. Wie würde man sich verhalten, plötzlich im
Mittelalter zu sein?
Zurückgreifend auf Sichtungen im Mittelalter versuchte ich die Elfen
glaubhaft wiederzubeleben, deren Blütezeit das Mittelalter war. Dass
Elfen und Außerirdische zusammen in einer Parallelwelt einen
Stützpunkt betreiben, klingt vorstellbar. Schon in der Bibel wurde
von Sichtungen gesprochen. Von Wagen am Himmel mit feurigen Rädern
war die Rede.
Als ich anfing zu schreiben, wollte ich nur ein Abenteuerbuch für
Jugendliche schreiben. Dann konnte ich nicht mehr aufhören zu
schreiben
Zurzeit
arbeite ich noch an meiner 5. Fortsetzung.
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„Die Tore der Atlanter“ ist eine Fantasy-Abenteuer-Buchreihe von fünf
Büchern, und handelt von einem jungen Mann namens Kristian, seiner
Freundin Jessika, der gemeinsame Freundin Jeanette und der Reporterin
Lena, die über ihre Abenteuer berichtet, und damit die Kasse ihrer
Unternehmungen füllt.
Wie würde man sich verhalten, plötzlich im Mittelalter zu sein, oder
wenn man als erster Mensch einen Erstkontakt mit den Alien herstellt?
Die Tore wurden vor einigen tausend Jahren von einem Volk geschaffen,
das damit Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit nahm. Später
trifft Kristian auf die Nachkommen dieses Volkes. Er nennt sie Atlanter.
Ihre Technik ermöglichen es ihm, in andere Zeiten und Orte zu springen.
Kristian handelt mit Waren aus dem Mittelalter und römischen Reich, die
er dort billig eintauscht, und teuer bei sich verkauft.Die Museen reißen
sich darum.
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Leseproben
Dem Namen alle Ehre
machend, lag die Burgruine auf einen der höchsten Punkte in dieser
Gegend. Burg war zu viel gesagt, da nur noch bescheidene Reste von
der wohl einstigen Pracht übrig waren. Man konnte noch einzelne
Fensternischen erkennen, und die Aussparungen im Mauerwerk, wo
einmal die Tragebalken für die Decken und Fußböden gelegen hatten.
Ein halber Torbogen ragte aus einer Mauer hervor und würde sicher
auch bald in sich zusammenfallen.
Da, wo vielleicht
einmal eine Zugbrücke den Feinden das Eindringen verwehrt hatte, lag
der Rest der Burg jetzt für jeden Besucher frei zugänglich dar.
Einen Graben, falls es ihn einmal gegeben hatte, war längst dem
Erdboden gleichgemacht worden. Trotzdem ließ sich noch erahnen, wie
mächtig einst die Burg ausgesehen haben mochte.
Als Kristian die
Burg fast erreicht hatte, setzte er sich mit Blick auf die Burg ins
Gras. Sein Rücken lehnte entspannt gegen einem großen Stein, der
aussah, als würde er seit Anbeginn der Zeit an dieser Stelle
verharren und die vor ihm liegende Burg bewachen.
Ein Blick auf die
vorbeiziehenden Wolken, die Burg vor ihm, Sonnenschein und Urlaub,
was wollte er mehr. Wie von selbst fielen ihm die Augen zu.Er dachte
über die Bewohner der Burg nach, wie sie wohl gelebt hatten.
Eingestimmt vom
Leben auf der Burg, öffnete er die Augen und blickte verklärt zur
Burg hinüber.
Zuerst undeutlich
und verschwommen, sah er zwischen dem Bergfried und der Außenmauer,
ein seltsames Flimmern. Sicher reflektierte eine zerbrochene Flasche
das Sonnenlicht. Neugierig geworden, konzentrierte er sich und sah
genauer hin. Plötzlich wurde ihm kalt, Gänsehaut breitete sich über
seinen Körper aus. So, als schaute man durch ein Guckloch, öffnete
sich ein stetig größer werdender runder Ausschnitt, die Konturen des
Randes verschmolzen im silbrigen Licht. Eine vollständig erhaltene
Burg bot sich seinen Augen dar. Er wollte es nicht glauben, so
musste die Burg vor langer Zeit ausgesehen haben. Der Bergfried
hatte eine Größe, wie er ihn sich im Traum nicht vorgestellt hätte.
Auf ihn wehte eine Fahne, deren Wappen er nicht erkennen konnte.
Mitten auf dem Platz sieht er einen Brunnen, mit einem Dach aus
Holzschindeln. Das Wiehern eines Pferdes und das Hämmern auf einem
Amboss war zu hören. Ehe er wusste, wie ihm geschah, begann sich das
flimmernde Fenster wieder zu schließen. Er dachte noch, jetzt fängst
du schon am hellen Tag an zu träumen und zu fantasieren, als sich
das Fenster gänzlich schloss.
Mit einem Schlag
sah er die traurigen Überreste der Burg wieder vor sich. Etwas war
mit ihm geschehen. Er war sich sicher, dass er nicht geträumt hatte.
So sehr er seine Augen auch anstrengte und zur Burg blickte, es
änderte sich nichts mehr. Traurig und verlassen wirkte jetzt das
gewohnte Bild der verfallenen Burg.
Es war ihm nicht
neu, das es schon oft vorgekommen war, hauptsächlich an historischen
Orten, dass Personen, die sich gegen altes Gemäuer oder Heiligtümer
gelehnt hatten, sich plötzlich in einer anderen Zeitepoche
wiederfanden. Dort hatten sie Dinge gesehen, die der heutigen Zeit
teilweise noch unbekannt waren. Er hatte aber nichts dergleichen
getan, der Stein hinter ihm, gegen den er sich lehnte, konnte wohl
auch nicht der Auslöser gewesen sein, obwohl er sicher schon so
mancherlei gesehen hatte.
Die Kälte wich
langsam aus seinem Körper und machte der wohltuenden Wärme der
Sonnenstrahlen Platz. Er blickte zur Burg.
Ihm fiel ein, dass
er als Auslöser zuerst ein Flimmern zwischen dem Burgfried und der
Außenmauer gesehen hatte. Da er das Geschehen noch nicht verkraftet
hatte und ihm der Schreck noch zu schaffen machte, schob er weitere
Überlegungen erst einmal beiseite. Auf jeden Fall wollte er im
Moment nicht mehr hierbleiben, weil ihm das Erlebnis noch zu
schaffen machte.
Unweit der Burg
Falkenhorst, am Talrand mit Blick auf die Burg, wohnte sein Freund
Kurt mit seiner jüngeren Schwester Jessika, der Großvater und Maria
die Haushälterin. Es ist das Haus ihrer Eltern, ein altes Anwesen.
Es liegt wie auf einem Präsentierteller inmitten grüner Wiesen,
rundherum hatte man freie Sicht, einen Nachbarn gab es nicht. Wenn
er so darüber nachdachte, das Haus musste bestimmt einige Hundert
Jahre alt sein. Hinter dem Haus steht ein Stall, der auf uralten
Fundamenten erbaut war. In ihm standen, als er Kurt das letzte Mal
besucht hatte, drei Reitpferde. Ein schlanker Turm aus Bruchsteinen
erbaut, streckte sich in die Höhe, und war an einer Seite mit dem
Stall verbunden.
Kristian drehte
sich um und sah, dass eine Reiterin in vollem Galopp auf geradem
Wege auf ihn zukam. Jessika, Kurts Schwester, wer sollte es anders
sein. Ihre enge Reithose brachte ihren schönen Körper voll zur
Geltung und lenkte seine Gedanken in eine andere Richtung. Sie
brachte ihr Pferd vor ihm zum Stehen und blickte lächelnd auf ihn
herab. Das lange blonde Haar, welches sie meistens zu einem
Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, wurde jetzt durch die
Reitkappe gebändigt. Obwohl er sie schon seit ihrer Kindheit kannte,
hatte er eigentlich nie mehr Gefühle für sie empfunden, als einer
Schwester gegenüber. Als er jetzt in ihre Augen blickte, wurde ihm
zum ersten Mal bewusst, dass sich etwas geändert hatte.
»Störe
ich«? fragte sie, »ich wollte dich nicht aus deinen
Träumen reißen.« Was sollte er erwidern, vielleicht hatte er
doch nur geträumt?
Bevor er antworten
konnte, sprang sie mit einem Satz vom Rücken ihres Pferdes.
»Was
ist passiert, du siehst so blass aus?«
»Was
ich gesehen habe, glaubt mir sowieso keiner, ich kann es ja selbst
nicht glauben.«
»Erzähl
schon.«
Sie setzte sich zu
ihm, in einer Hand hielt sie die Zügel. Ihre Blicke trafen sich, ihm
wurde zum ersten Mal richtig bewusst, wie schön sie war. Er atmete
den Duft ihres Parfüms ein.
Da der Stein nicht
viel Platz bot, saßen sie bald eng beieinander, was ihm sehr gefiel.
Er wollte gerade seinen Arm um ihre Schulter legen, da sprang sie
auf.
»Was
ist denn jetzt, willst du mich nicht in deine Geheimnisse einweihen?«
»Das
werde ich tun, aber lass mich eine Nacht darüber schlafen.«
»Wie
du willst, wann lässt du dich mal wieder bei uns sehen, wir
könnten zusammen ausreiten?« Eine Antwort nicht abwartend,
schwang sie sich auf ihr Pferd und galoppierte winkend heimwärts.
Auch er beschloss, nach Hause zu gehen.
Sein Zuhause,
welches abseits am Dorfrand stand, kam einem kleinen Knusperhäuschen
gleich. Es war alt und die Zimmer waren klein. Günstig hatte er es
erwerben können, als die vorherige Besitzerin im hohem Alter starb.
Er kannte sie noch aus seiner Jugendzeit. Oft hatten sie in ihrem
Garten Kirschen und Äpfel gepflückt. Jetzt war es sein Zuhause.
Kristian war
dreiundzwanzig Jahre alt, einmeterachtzig groß und betreute im Dorf
eine Jugendgruppe in Selbstverteidigung und Stockkampf. Heute war
sein erster Urlaubstag.
Er machte sich
einen Kaffee und setzte sich draußen auf seine Bank. Die Obstbäume
hingen voll. Leider wusste er mit dem Obst nichts anzufangen und
hatte sich schon überlegt, sich ein paar Ziegen anzuschaffen, die
das Obst verwerten und den Rasen kurz halten sollten. Darum würde er
sich später kümmern. Morgen in der Frühe, wollte er sich erneut zur
Burg aufmachen, danach würde er weiter entscheiden.
Kristian stand früh
auf, weil er keine Zuschauer wollte, wenn er die Stelle, von der das
Flimmern ausgegangen war, näher in Augenschein nehmen wollte.
Voller Ungeduld
wäre er am liebsten den ganzen Weg gerannt, seine schweren
Wanderschuhe ließen dieses aber nicht zu. Angekommen, schaute er
sich im Burghof um. Links das ehemalige Wohnhaus mit leeren
Fensterhöhlen, auf der rechten Seite der Bergfried, an dem die
Burgmauer lehnte. Nichts deutete auf den gestrigen Vorfall hin. Er
war sich sicher, dass hier am Bergfried die richtige Stelle war.
Vielleicht hatte er doch alles nur geträumt? Solange er die Stelle
auch anstarrte, es passierte nichts. Oder doch? Er hörte Stimmen.
Auch das noch, die ersten Touristen waren schon angekommen.
Er zog sich auf die
andere Seite zurück. So schnell wollte er nicht aufgeben. Ihm fiel
ein, dass er, wenn er meditierte, die Visualisierung zu Hilfe
genommen hatte. Dies ist eine Technik, die sich der
Vorstellungskraft bedient, um geistige Bilder des jeweils erstrebten
Gegenstandes oder Zustandes zu erzeugen. Je aktiver die Fantasie
arbeitet sich ihrer zu bedienen, desto kraftgeladener wird sie. So
wird eine Tür zwischen der Welt, der gewöhnlichen Wirklichkeit und
der geistigen Welt geöffnet. Was würde passieren, wenn er diese
Technik jetzt und hier anwendete? Würden die Touristen etwas
mitbekommen? Wahrscheinlich, denn dieses spielte sich ja nicht nur
in seinem Kopf ab. Er hatte das Flimmern nicht in Gedanken, sondern
mit eigenen Augen gesehen. Um Klarheit zu bekommen, musste er einen
Versuch wagen. Kristian schaute sich um, die Luft war rein, als er
sich auf die vermeintliche Stelle am Bergfried konzentrierte. In
Gedanken stellte er sich das Flimmern vor, ähnlich der Spitzen eines
lodernden Feuers oder der Fata Morgana in der Wüste. Er hatte die
Öffnung ja schon gesehen und konnte sie deshalb vor seinem geistigen
Auge entstehen lassen. Zunächst passierte nichts. Seine
Konzentration verstärkend, spürte er plötzlich ein leichtes Kribbeln
auf seiner Kopfhaut, das sich über den ganzen Körper ausbreitete, je
mehr er sich konzentrierte. Als sich auch noch eine leichte
Gänsehaut einstellte, wusste er, dass etwas passieren würde.
Plötzlich sah er das Flimmern. Es war fast durchsichtig und stieg
vom Boden empor. Ein angstvolles Kreischen ließ ihn hochfahren, mit
der Konzentration war es vorbei, das Flimmern erlosch.
Ein kleines Mädchen
stand rechts hinter Kristian. Er hatte sie nicht kommen gehört. Es
weinte und zeigte auf die Stelle, auf die er sich gerade noch
konzentriert hatte.
Schnell schaute er sich
um. Es war sonst keiner in seiner Nähe, der vielleicht auch
etwas gesehen haben könnte. Da kam auch schon der Vater des
Kindes, durch die Schreie seines Kindes alarmiert, angerannt.
Sein Gesicht verdüsterte sich, als er nur sein Kind und Kristian
wahrnahm. Das Kind wollte sich nicht beruhigen und zeigte immer
wieder auf die Stelle, die zu seinem Glück, nicht in seiner
direkten Nähe war. Als der Vater Kristian wieder anschaute,
zeigte dieser ein unschuldiges Gesicht und zuckte nur mit den
Schultern. Der Vater nahm seine Tochter an die Hand und beide
verließen den Burghof. Endlich war die Ruhe wieder hergestellt.
Das wäre beinah schief gegangen. Trotzdem hatte sich der Morgen
gelohnt. Kristian wusste, wie er die Öffnung ins Mittelalter
aktivieren konnte, und dass auch andere diese sahen, und
wahrscheinlich auch hindurch gehen konnten, wenn sie geöffnet
war.
Kristian hatte
Hanna die Heilerin mit in seine Welt genommen,damit Jessika sie
kennenlernen konnte. Er hatte ihr die Möglichkeit verschafft, sich
in einer Badewanne mit warmen Wasser zu baden.
»Wie
findest du sie«? fragte er Jessika.
»Ganz
nett«, war die Antwort. Er fühlte, dass sie ihn was fragen
wollte, was sie dann aber nicht tat.
»Willst
du wissen, warum wir beim Grafen eingeladen sind«? fragte er.
Sie nickte, während sie den Kuchen aufteilte.
»Die
Tochter des Grafen wurde entführt und ich habe sie befreit.«
»Schlaft
ihr in einem Bett«? fragte sie ganz nebenbei, als sie den
Kuchen verteilte. Das war es also, was sie ihn eben fragen wollte.
»Ich
habe mein eigenes Bett«, sagte er.
»Gib
mir deine Hand.«
Nichts ahnend tat
sie es, als sie auch schon in Hannas Hütte standen. Erstaunt sah
Jessika sich um.
»Das
kleine Bett gehört mir«, sagte er.
»Es
gibt ja noch nicht mal Fensterscheiben!«
»Schau
hinaus, dann siehst du den Bach, als einzige Möglichkeit, sich zu
waschen. Komm, ich zeige dir die Burg.«
Sie standen
unsichtbar mitten im Vorhof und hatten einen guten Blick auf die
Burg. Jessika schaute sich sprachlos um.
»Komm,
jetzt besuchen wir euer Haus.«
Sie standen bald
unsichtbar auf dem gepflasterten Vorhof des Vogts, umgeben von der
hohen Mauer.
»Ich
bring dich jetzt zurück.«
Gesagt getan.
Keiner hatte mitbekommen, dass sie weggewesen waren. Jessika fing
plötzlich zu weinen an. Kristian ging zu ihr und nahm sie in den
Arm. Erneut wurde ihr Körper geschüttelt. So auf die Schnelle mit
einem anderen Zeitalter konfrontiert zu werden, war zu viel für sie.
Hanna und Großvater kamen herein. Jessika löste sich von ihm und
trocknete ihre Tränen ab. Großvater tat so, als wenn er nichts
gesehen hatte. Hanna sagte auch nichts. Jessika schüttete den Kaffee
ein.
»Hast
du schon die Zeitung gelesen«? fragte Großvater.
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Besuch bei der
Elfenkönigin.
»Hera hat mich hergebracht, ich darf in einem Raumschiff
mitfliegen.«
»Weißt du schon, wer das Raumschiff führt?«
»Ja, Cyro.«
»Oh, ich kenne Cyro«, sagte Shie.
»Stört es euch nicht, wenn jemand eure Gedanken liest«? fragte
Kristian.
»Wir können unsere Gedanken abschirmen.« Die Frau brachte eine
Karaffe und drei Gläser. Shie füllte sie. »Auf dein Wohl«, sagte
sie. Er war überrascht, ein leichter Fruchtgeschmack mit einem
Anteil Alkohol.
»Das schmeckt wirklich gut.«
»Du musst aufpassen, da du heute noch fliegen willst, bekommst du
nur ein Glas voll. Das Getränk steigt einem schnell in den Kopf.«
»Ihr wohnt schön hier«, sagte er. »Hera sagte, dass du eine Freundin
hast«? fragte Shie, »das nächste Mal bringst du sie mit, damit wir
sie kennenlernen können.« Er wusste jetzt schon, dass Jessika es
nicht abwarten konnte, wenn sie es erfuhr.
»Ich danke dir für die Einladung.« Kristian blickte sich um, die
Wände waren mit Bildern geschmückt. Der König mit verschiedenen
Gästen. Auch Cyro oder einer von seiner Art. Aber auch so etwas wie
abstrakte Kunst war vertreten. Hera stand auf, »wir müssen zurück,
sonst fliegt Cyro ohne Kristian ab.«
»Bis bald«, verabschiedete er sich und fand sich draußen vor dem
Raumschiff wieder. Cyro wartete schon. Ein Zweiter von seiner Art,
stand ebenfalls vor der geöffneten Tür.
»Das ist Systra«, stellte Hera vor. Äußerlich hätte er sie kaum
auseinanderhalten können.
»Ich gehe jetzt«, sagte Hera und verschwand.
»Komm herein«, empfing er Cyro`s lautlose Anweisung. Er musste den
Kopf einziehen und ging in gebückter Haltung ins Schiff. Er sah zwei
Sessel vor einem Kommandostand. Keine Knöpfe oder Schalter.
Verschiedene Symbole auf einem Sensorenfeld war alles, was er sah.
»Setz dich auf die Bank hinter mir«, gab ihm Cyro zu verstehen.
Kristian setzte sich. Die Tür schloss sich. Ein leises Summen war
alles, was er vernahm, als das Schiff abhob.
»Du möchtest, dass wir zu dir fliegen«? empfing er.
»Ja«, dachte er. Ohne dass er es bemerkt hatte, sah er später auf
einem Bildschirm in der Wand unter sich, eine Stadt liegen. Cyro
ging tiefer auf tausend Meter und blieb auf der Stelle stehen.
»Unbekanntes Flugobjekt auf tausend Meter«, hörte er von irgendwo
her.
»Es steht auf der Stelle.«
»Flugzeug Berta Anton Drei, gehen sie auf eintausenddreihundert
Meter und sagen sie, was sie sehen.«
»Verstanden Tower.« »Hier Berta Anton Drei. Ich sehe es, es sieht
aus wie eine fliegende Untertasse.«
»Anton Berta drei, verlassen sie umgehend ihren Standort.«
»Verstanden.« Bald hörten sie, wie sie sich entfernten.
Die zwei Kampfflugzeuge der Bundeswehr umkreisten sie jetzt in einem
weiteren Radius. »Hier AX 1, das UFO bewegt sich nicht, was sollen
wir tun?«
»Keine Provokationen, nur beobachten.« Beobachten war gut, wie
sollten sie das machen, sie konnten ja nicht auf der Stelle stehen
bleiben wie sie. »Du weißt, was du hier machst«? kamen Cyro`s
Gedanken bei ihm an.
»Dieses ist doch eine gute Gelegenheit, den Menschen zu zeigen, dass
es auch noch andere Lebewesen gibt.«
Cyro gab keine Antwort. »Kann ich mit den Beiden da oben reden«?
fragte er. Cyro nickte, da er nicht wollte, dass einer der Beiden
ein Held sein wollte. »Wo soll ich reinsprechen«? fragte Kristian.
»Rede«, sagte Cyro.
»Hallo ihr beiden, es ist besser ihr fliegt zurück, wir sind in
friedlicher Absicht hier.«
»Sie reden mit uns«, hörte er die aufgeregte Stimme eines Piloten.
»Sie sind in friedlicher Absicht hier und wollen, dass wir
zurückfliegen.«
»Kommen sie zurück«, hörten sie den Befehl. Danach drehten beide ab.
»Können wir tiefer gehen«? fragte Kristian. Wieder nickte Cyro.
Langsam fragte er sich, wieso Cyro sich auf alles einließ. Hatten
der König und er diesen Ablauf in Betracht gezogen? Dann mussten sie
ihn aber besser kennen wie er sich selber. Cyro deutete auf den
Bildschirm. Kristian sah, wie die Stadt auf sie zukam. Viele
Menschen, durch die kreisenden Flugzeuge aufmerksam geworden,
blickten ihnen entgegen. Obwohl es anfing, dunkel zu werden, sahen
sie die Gesichter deutlich vor sich. Er erkannte, wo sie waren.
»Am Stadtrand ist eine Sportarena, lass uns dorthin fliegen.« Viele
Autoscheinwerfer folgten ihnen zur Arena. Aus allen Richtungen kamen
Polizeiwagen mit ihren blinkenden blauen Lichtern und versuchten,
dem Chaos Herr zu werden. Unter ihnen tauchte die Arena auf. Langsam
schwebten sie auf fünfzig Meter herunter. Irgendwie hatten die
Menschen es geschafft, die Tore zu öffnen und die Scheinwerfer
einzuschalten. Ein endloser Strom ergoss sich auf die Ränge. Angst
schienen sie nicht zu haben, denn die Menschenmenge gab ihnen ein
sicheres Gefühl. »Zeige den Leuten, was du kannst, fliege hoch und
wieder herunter.« Auf dem Bildschirm sah Kristian die Arena kleiner
werden und ebenso wieder größer. Das alles hatte nur ein paar
Sekunden gedauert, ohne dass er etwas gemerkt hatte. Der
Menschenmenge hatte es sicher gefallen. Ehrfürchtig starrten sie auf
das Raumschiff. Sie standen seit einer halben Stunde auf der Stelle,
was sicher dazu beitrug, die Spannung zu erhöhen. Kristian wollte
gerade sagen, in zehn Minuten setzt du auf, als ihm einfiel, dass er
nur Gast in diesem Schiff war. Cyro hatte sein Gedankenspiel wohl
mitbekommen, zum ersten Mal, sah Kristian, dass Cyro zu einer Regung
fähig war. Es bildeten sich zwei Grübchen auf seinen Wangen.
Kristian lächelte zurück. Nach zehn Minuten hörte er, dass die vier
Stelzen ausgefahren wurden. »Jetzt solltest du den Leuten auf deine
Weise mitteilen, dass wir in friedlicher Absicht hier sind und sie
ruhig bleiben sollen«, sagte er zu Cyro. Was war das ein Schock, als
plötzlich in den Gedanken der Menschen diese Botschaft ankam. Die
Spannung musste ungeheuerlich sein. Kristian sah, wie die Polizei
Fernsehteams an den Rand des Platzes ließ. Bald würde die ganze Welt
über den ersten öffentlichen Kontakt mit den Außerirdischen wissen.
Mittlerweile konnte er mit seinen Fingerkuppen auf dem Sensorenfeld
die Kamera bedienen.
Er richtete sie auf die vordere Reihe, dort wo die Fernsehkameras
standen. Er hatte schnell gefunden, was er suchte. Lena in einem
gelben Kostüm. Wieso hatte sie ein Kostüm an? Er zeigte Cyro den
gelben Farbfleck.
»Kannst du diese Frau gezielt ansprechen?« Cyro nickte.
»Sage ihr, Edra lässt grüßen, mach dich bereit.« Er beobachtete
Lena. Sie blickte sich um, ob die anderen auch eine Nachricht
bekommen hatten, was anscheinend nicht der Fall war. »Kannst du
jetzt die Tür aufmachen?«
Kurz darauf wurde die Klappe heruntergefahren.
Ich verwandle mich wohl besser«, sagte er und wurde zu einem Abbild
von Cyro. Dieser hatte erstaunt seiner Verwandlung zugesehen. »Jetzt
fehlt mir nur noch die Fähigkeit, dass ich mich mit ihnen über ihre
Gedanken unterhalten kann.«
Eine Weile blickte Cyro ihn an, erst als sein Gefährte nickte, nahm
Cyro aus einem Fach einen kleinen runden Gegenstand und gab ihn
Kristian. Da er ebenso wie Cyro eine kleine Tasche an seiner Seite
hatte, steckte er ihn dort hinein. »Wofür ist das«? fragte er.
»Spreche mit deinem gelben Farbfleck«, sagte er.
Er konzentrierte sich auf Lena. »Hallo Lena«, dachte er, »erschrecke
nicht.« »Mensch Kristian, du wirst mir immer unheimlicher. Was habt
ihr vor?«
»Wir werden eine Delegation empfangen, zu der du auch gehörst. Ich
dachte dabei an den Bürgermeister und den Polizeichef. Deinen
Kameramann darfst du nicht mitnehmen. Es wäre gut, wenn du als
Auserwählte, die Beiden darauf vorbereiten würdest. Falls einer
nicht will, soll er einen anderen bestimmen.« Kristian sah, wie Lena
auf einen Polizisten zuging und mit ihm debattierte. Ein Zweiter kam
hinzu. Kristian sah, wie sie vergeblich versuchte, die Botschaft
weiterzugeben.
Lena wurde immer lauter und ein dritter Polizist kam hinzu. Dieser
kannte Lena aus dem Fernsehen und glaubte ihr. Lena verschwand in
der Menge. Nach fünf Minuten standen drei Personen am Spielfeldrand.
Kristian sah, dass außer Lena noch eine Frau dazugehörte. Warum
nicht, das war sicher die Bürgermeisterin. »Hallo Lena, verrate mir
die Namen der Beiden.« »Frau Wissing die Bürgermeisterin und Herr
Kranz der Polizeichef.«
»Dann kommt«, sagte er, worauf sich die Drei in Bewegung setzten.
»Cyro, ich habe eine Bitte, würdest du dich und dein Begleiter vorne
an der Tür aufstellen?« Wie immer machte er mit. Cyro und Systra
stellten sich an der Tür auf. Ob die Fernsehkameras das auch alle
mitbekamen? Er ging der Delegation entgegen. Lena, die ja wusste,
dass keine Gefahr drohte, hatte einen deutlichen Vorsprung.
»Nicht so schnell«, sagte er zu ihr.
»Kristian, wo bist du?«
»Ich stehe doch vor dir.«
»Höre auf mit dem Quatsch.«
»Lena, was muss ich tun, damit du mir glaubst? Warte, ich weiß
schon.« Er ließ Lena auf sich zukommen. Ehe sie zurückweichen
konnte, umschlossen seine Arme sie. »Glaubst du mir jetzt?«
»Kristian, was haben sie mit dir gemacht?« Er ließ sie los. »Das
erzähle ich dir später.« Dann standen sie vor dem Raumschiff.
Misstrauisch und ängstlich schauten die beiden Gäste sich um.
Augenkontakt mit ihm vermieden sie. Er wollte ihnen gerade seine
Hand entgegenhalten, da bekam er einen Schreck. Hatte er daran
gedacht, sich bei der Verwandlung mit vier Fingern auszustatten? Er
blickte auf seine Hand. Welch eine Erleichterung, vier Finger an
jede Hand. Jetzt machte er dasselbe Spiel, das Cyro mit ihm gemacht
hatte. Seine ausgestreckte Handfläche stiftete zunächst Verwirrung.
»Lena«, dachte er, »drücke deine Handfläche gegen meine.« Lena
machte es vor, dann hatten die Beiden verstanden. »Es ist uns eine
Ehre die Bürgermeisterin Frau Wissing und den Polizeichef Herr Kranz
begrüßen zu können. Erstaunt schauten sich beide an. »Außerdem Frau
Müller.« Er hatte bis jetzt in Gedankenform mit ihnen gesprochen.
Jetzt sagte er mit normaler Stimme, »wir möchten, dass die Welt
erfährt, dass es uns gibt und wir eure Freunde sein wollen.« Beide,
außer Lena, nickten eifrig. Lena zeigte mehr Interesse für das
Raumschiff und versuchte, ins Innere zu sehen. Er sah, dass sie
einen Fotoapparat umgehängt hatte. »Du darfst Fotos machen«, teilte
er ihr mit. Cyro hatte es mitbekommen und zuckte nicht zusammen, als
das Blitzlicht aufflammte. Bald hatte Kristian sie aus den Augen
verloren, nur hier und da sah er es aufblitzen. »Als Zeichen unserer
Freundschaft, lade ich sie zu einem Rundflug ein.« Beide sahen sich
betreten an, in Gedanken sahen sie sich in den Nachrichten erwähnt,
Bürgermeisterin und Polizeichef von Außerirdische entführt. Lena sah
ihre Nöte, »ja, dann wollen wir mal«, sagte sie und betrat die
Rampe. Widerstrebend folgten die Anderen.
»Lena, keine Fotos im Inneren«, teilte er ihr mit.
»Denke an unsere Partnerschaft«, vernahm er.
»Es reicht, was du bist jetzt hast«, was sie wohl einsah.
Die Rampe schloss sich. »Bitte setzen sie sich auf die Bank dort.«
Sie folgen seiner Anweisung. Hier hatten sie ausreichende
Kopffreiheit. Ihr Blick war gebannt auf den Bildschirm gerichtet.
Das Stadion war hell erleuchtet. Zuerst langsam, dann immer
schneller, schoss das Raumschiff nach oben. Die Helligkeit des
Stadions verblasste, bis der Bildschirm nur noch Dunkelheit
anzeigte.
========= Cyro teilte ihm mit, dass
sie ihm in einen anderen Raum folgen sollten.Hier wechselte Kristian
wieder in seine Gestalt. »Ich habe euren Gedanken entnommen, dass
ihr beide schon für einigen Wirbel gesorgt habt. Ich halte es daher
für besser, wenn ich euch einen Chip einpflanze. Ihr gehört zu den
Kontaktpersonen unserer Rasse und seid daher immer in Gefahr,
entführt zu werden. Mit dem Chip finden wir euch wieder. Seid ihr
damit einverstanden?«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte Kristian und blickte dabei Lena an.
Lena war auch einverstanden, denn sie nickte. Cyro ging, um kurz
darauf wiederzukommen. Ein anderer Duft umgab ihn. Kristian blickte
ihn an. »Du bist Systra und ein weibliches Wesen«, dachte er, als
wenn eine plötzliche Eingebung ihn dieses hatte erkennen lassen.
»Du bist besser, wie wir gedacht haben«, vernahm er, »aber du hast
recht mit deiner Annahme. Macht euren Oberschenkel frei.« Lena und
er blickten sich an, dann ließ Kristian seine Hose fallen. Systra
kam zuerst zu ihm. Mit ihren Fingern strich sie über den
Oberschenkel und führte eine Kanüle unter die Haut. Er fühlte, wie
dort etwas unter die Haut geschoben wurde, ohne dass es schmerzte.
Dann wurde die Kanüle herausgezogen. Lena hatte ihn die ganze Zeit
mit bangen Augen beobachtet und war sichtlich erleichtert, dass sich
Kristians Gesicht nicht verzog. Willig ließ sie die Prozedur über
sich ergehen. Sie gingen wieder in den Kommandoraum, nachdem er
wieder die Aliengestalt angenommen hatte. Er sah die Bürgermeisterin
und den Polizeichef verkrampft auf ihre Bank sitzen. Sicher hatten
sie sich Gedanken darüber gemacht, was mit Lena geschah. Lena setzte
sich lächelnd neben sie und nickte beruhigend mit dem Kopf. Kristian
sah den beiden an, dass sie sich nicht wohlfühlten, und fragte sie,
ob sie zurückwollten? Erleichtertes Nicken war die Antwort.
Cyro leitete die Landung ein. Ehe er sich versah, setzte Cyro schon
wieder zur Landung an. Die Tür ging auf. Kristian wartete draußen
auf Systra und Cyro, und hielt ihnen seine Handfläche entgegen,
worauf sie ihre dagegen drückten.
»Ich danke euch, dass ihr mich mitgenommen habt und ich würde mich
freuen, wenn wir uns wiedersehen.«
»Wir danken dir, dass du uns erlaubt hast, deine Denkweise zu
studieren. Wir nehmen dich gerne ein andermal wieder mit.«
»Kann es sein, dass du mit deinen Gedanken wo anders bist«? fragte
Jessika.
»Ich habe mich mit Lena unterhalten.«
»Aha, was hattest du ihr denn Wichtiges zu sagen?«
»Gar nichts, ich habe nur die Verbindung geprüft. Ihr dürft mir
übrigens gratulieren. Ich bin jetzt Pilot einer außerirdischen
Macht.« Jessika schaltete schnell.
»Wo fliegen wir als erstes hin?«
»Das weiß ich noch nicht, aber ich könnte mir schon was vorstellen.«
»Erzähle schon.«
»Ich würde gerne noch mal die Raumstation besuchen.«
»Und was hindert dich daran?«
»Natürlich nichts.«
»Ja dann komm.« Sie sprangen in die Station. Sein Raumgleiter stand
an seiner gewohnten Stelle. Kraft seiner Vorstellung öffnete sich
die Rampe. Sie gingen hinein. Wow, sagte Jessika erstaunt,
anständige Sitze. Sie setzten sich, er schloss die Rampe und
überprüfte die Systeme.
»Und was muss ich machen«? fragte Jessika.
»Erst mal nichts, lehne dich zurück und genieße.« Sie hoben ab, und
er benutze den programmierten Flug in ihre Welt. Von hier aus ließen
sie die Erde hinter sich. »Ist das schön«, schwärmte Jessika.
Kristian wusste nicht, wo die Raumstation um diese Zeit stand und
umkreiste deshalb die Erde mit mehreren Sprüngen.
»Da ist sie«, schrie Jessika aufgeregt und deutete auf ein Fenster.
Ja, da war sie. Cyro hatte ihm gezeigt, auf was für eine Frequenz
die Raumstation mit der Bodenstation Verbindung aufnahm. Sie hatten
sie noch nicht bemerkt. Man sollte annehmen, dass die Besatzung
etwas anderes zu tun hatte, als ewig durch ein Fenster zu sehen.
Anderseits war es zu verstehen, wenn man ab und zu einen Blick auf
die Heimat warf.
»Wir haben Besuch«, hörten sie im Lautsprecher. Kristian machte
Jessika noch einmal klar, dass sie auf keinen Fall ihr Gesicht am
Fenster zeigen durfte. Langsam umrundete er die Station, dessen
Fenster jetzt besetzt waren. Er hatte seinem Raumgleiter noch keinen
Namen gegeben. Ihm fiel auf die Schnelle keiner ein. Deshalb
schickte er seine Gedanken rüber.
»Edra grüßt die Erdlinge.«
»An Bodenstation, seht ihr was wir sehen?« Eine Kamera war durch ein
Fenster auf sie gerichtet.
»Wir sehen es.«
»Hat er gesagt, was er will?«
»Nein, wir glauben, dass er uns nur einen Freundschafsbesuch
abstatten will.« Kristian hielt sein Aliengesicht vor ein Fenster.
»Wir sehen ein Alien.«
»Darf ich an Bord kommen«? fragte er. »Er will uns einen Besuch
abstatten«, funkten sie zur Erde.
»Ihr werdet ihn wohl kaum davon abhalten können«, kam die Antwort
zurück, »also lasst ihn.« Dann hörten sie, wie sie sagten, »Edra, du
bist willkommen.« Er sprang in Aliengestalt zu ihnen. Abwartend
musterten sie ihn. Er hielt ihnen seine Handflächen zum Gruß
entgegen. Fragend schauten sie sich, und dann ihn an. Erst als er
ihnen ein Bild übertrug, mit zwei aufeinandergelegten
Handflächen,verstanden sie. Froh, dass sie ihn auf Alienart
begrüßen konnten, wollte jeder seine Handfläche berühren. Ein
Besatzungsmitglied erkannte er wieder. »Hat deine Tochter keine
Angst, wenn du so weit weg von zuhause bist?« Erfreut, dass er sich
an sie erinnerte, sagte sie, »meine Tochter sagt, du würdest auf uns
aufpassen.«
»Wenn das deine Tochter beruhigt, dann sei es so.«
»Hier Bodenstation, was ist bei euch los, wir hören nichts mehr von
euch.« »Das ist richtig, Edra redet lautlos mit uns.« Um der Rolle
eines Alien gerecht zu werden, sagte er, »bei uns kennt man das
gesprochene Wort nicht.«
»Aber du kannst eine andere Gestalt annehmen und dann mit uns
reden?«
»Ja, das stimmt, bei uns sagt man, dass ich anders bin. Meine
Aufgabe ist es, die Menschen an unsere Existenz zu gewöhnen. Viele
von euch sind meine Freunde geworden. Mein wirkliches Aussehen
verwirrt die Menschen. Dann nehme ich eine andere Gestalt an. Ich
lebe unter euch und ihr merkt es nicht.«
»Halte ich euch von euerer Arbeit ab?«
»Nein, wir freuen uns über deinen Besuch«, sagte die Frau. »Trotzdem
muss ich euch jetzt verlassen. Wir sehen uns sicher mal wieder.« Er
sprang zurück.
»Und jetzt«? fragte Jessika.
Die Jagdgesellschaft hielt an, schon eilten Leute herbei, um die
Pferde zu halten und der Fürstin den Falken abzunehmen. Die Männer
waren schon abgestiegen, die Frauen rafften noch ihre Kleider
zusammen, um dann mit einem Schwung das rechte Bein über den Sattel
zu schwingen und abzusteigen. Die Jagdgesellschaft bestand noch aus
zwei weiteren bewaffneten Männern.
Fürst Leonard schätzte er auf fünfzig Jahre, sein Bart war schon
leicht ergraut. Die Fürstin, die jetzt neben ihren Mann stand, hatte
ebenso wie ihre Töchter, ein bodenlanges Kleid an. Um ihre Taille
lag lose ein geschmückter Gürtel. Ihre Töchter mochten fünfzehn und
siebzehn Jahre alt sein, und ebenso schön wie die Mutter. Als
Kristian sie so in Gedanken betrachtete, spürten sie seinen Blick,
worauf sie ihre Köpfe zusammensteckten und kicherten. Graf Lothar
trat auf sie zu und stellte einander vor. Das figurbetonte Äußere
von Jessika und Silkein in ihren Reithosen, verfehlte seine Wirkung
nicht. Auch der Fürst konnte sich nur schwer von dem Anblick
trennen. »Setzt euch bitte«, sagte Bernhard. Sie saßen dem Grafen
und der Fürstenfamilie gegenüber. Die beiden Ritter und beide
Knappen saßen auf Kristians Seite. »Was treibt euch soweit hierher«?
fing der Fürst die Unterhaltung an.
»Wir wollten nur unseren Freund Ritter Bernhard besuchen.«
»Und so ganz nebenbei sprecht ihr Recht in meinem Dorf?«
Als Kristian ihn erstaunt ansah, fuhr er fort, »Graf Lothar hat euch
nach der Beschreibung erkannt.«
»Haben wir falsch gerichtet? Ohne unser Eingreifen wäre die Frau
jetzt tot.«
»Nein, das sollte kein Vorwurf sein, besser hätte ich auch nicht
richten können. Wir haben schon so viel Gutes über euch gehört, dass
wir es fast nicht glauben konnten.«
»Sicher hat Graf Lothar ein wenig übertrieben«, schwächte Kristian
ab.
»Wer der Freund der Elfen ist, muss ohne Tadel sein«, übernahm die
Fürstin das Wort. Inzwischen wurden die Becher gefüllt. »Das mit den
Elfen war reiner Zufall«, sagte Kristian, »so wie ich geholfen habe,
hätte das ein anderer auch getan.«
»Ihr müsst nicht so bescheiden sein«, sagte Tochter Maria, »keiner
von uns hat je einen Elfen zu Gesicht bekommen.«
»Das muss nicht bedeuten, dass sie euch nicht gesehen haben«, sagte
er, »ihr wisst sicher, dass sie ein großartiges Volk sind und über
außerordentliche Macht verfügen.«
»Graf Lothar sagt, dass diese Macht, die auf euch übertragen wurde,
seine Burg vor der Erstürmung gerettet hat.«
»Ja, das mag stimmen.«
»Könnt ihr uns ein Beispiel eurer Macht zeigen«? fragte Tochter
Anna.
»Ihr glaubt hoffentlich nicht an Geister und Hexen?«
»Natürlich nicht«, sagte Anna zögernd.
»Ihr seid euch nicht sicher?« Gerade als Anna nach ihrem Becher
greifen wollte, ließ er ihn außer ihrer Reichweite schweben, was die
Fürstenfamilie und auch die Ritter sehr verwirrte. Er ließ den
Becher wieder zurückschweben. Anna wagte nicht mehr, danach zu
greifen. Noch gefangen von dem Erlebnis, wurde es still. Diese
Stille wurde unterbrochen, durch das Auftragen der Speisen.
Das Schwein lag in kleine Stücke zerteilt, auf große Holzbretter.
Schüsseln mit Soße, Butter und Brot wurden aufgetragen. Demonstrativ
nahm Kristian die Gabel, spießte damit ein Stück Fleisch auf,
schnitt mit dem Messer ein mundgerechtes Stück ab und steckte es
sich in den Mund. Die Fürstin hatte ihm zugeschaut und machte es ihm
nach. »Kristian, eure Essgewohnheit gefällt mir, jetzt muss man sich
nicht mehr die Hände beschmutzen.«
Als Bernhards Frau beim Auftragen der Speisen in die Nähe der
Fürstin kam, schnupperte diese mit erhobener Nase. »Liebe Adelheid,
sagt mir, wieso ihr so gut riecht, wie macht ihr das?« Sichtlich
stolz beugte sich Adelheid zur Fürstin runter und sagte, »das ist
ein Geschenk von Kristian.«
»Ich sehe schon«, sagte die Fürstin zu ihm, »ihr versteht es, die
Frauen auf eure Seite zu ziehen.« Die Töchter steckten ihre Köpfe
zusammen und kicherten. Dann fragte Maria Jessika, »sehen alle
Frauen so aus wie ihr?«
»Du meinst sicher unsere Hosen?« Maria nickte.
»Nein, dieses sind Reithosen. Bei uns gibt es für jeden Anlass lange
und kurze Kleider.«
»Wie kurz?« Jessika stand auf und zeigte mit den Fingern, wie weit
über dem Knie. Das konnte sich die Fürstin und ihre Töchter nicht
vorstellen. »Gilt das bei euch nicht als unschicklich?«
»Nein.«
»Seid ihr einander versprochen du und Kristian«? bohrte Maria nach.
»Nein, wir sind zusammen, bei uns sucht sich jeder den Partner, den
er möchte.«
»Bernhard, euer Brot ist euch gelungen«, sagte der Fürst. »Das
Brot hat Kristian mitgebracht.« Der Fürst blickte Kristian an,
dieser nickte. Nachdem alle gesättigt waren, wurden die Speisen
abgetragen, jetzt durften die einfachen Leute des Fürsten und
Bernhards davon essen. Silke ging wie zufällig sich ein wenig
die Beine vertreten, und bald darauf folgte ihr Albert. Die
Fürstin und ihre Töchter gingen mit Adelheid ins Haus. Sicher
würden jetzt ihre Geschenke vorgezeigt. Kurze Zeit später kamen
die Töchter angerannt, jede wollte die Erste sein.
»Kristian«, sagte die Fürstin, »ich bitte nicht gerne darum, ihr
habt gesagt, wenn wir einen Wunsch haben, sollen wir ihn äußern.«
»Ja, nun sagt schon.«
»Könnt ihr uns buntes Garn zum Sticken mitbringen?«
»Ja sicher, das ist für mich kein Problem.«
»Kristian, unsere Freundin Margaret kommt uns heute besuchen. Du
wirst dich wundern, sie ist anders wie wir.«
»Ihr macht mich neugierig.«
»Du wirst sehen, sie wird dir gefallen.«
»Ich kann es kaum erwarten.«
»Wie geht es Jessika«? fragte Anna.
»Gut, sie hat eine neue Freundin.«
»Lernen wir sie kennen?«
»Wenn ihr wollt?« Die Zeit zog dahin, er wollte wenigstens so lange
warten, bis er Margaret kennengelernt hatte.
»Was ist mit Margaret, kommt sie alleine, oder wird sie begleitet?«
»Sie würde alleine kommen, aber ihr Vater gibt ihr einen Begleiter
mit.«
»Wenn sie alleine kommen möchte, dann ist sie sicher
furchteinflößend?«
Maria und Anna lachten und hatten Spaß.
»Nein, ist sie nicht, sie weiß sich zu wehren und ist eine gute
Bogenschützin.«
»Kristian«, bemerkte der Fürst, »ich sehe, dass ihr es nicht
abwarten könnt, Margaret kennenzulernen, wie wäre es, wenn wir eine
Partie Schach spielen würden?«
»Ja sicher, das lässt sich machen.«
Der Fürst hatte die erste Partie gewonnen, als Maria zum Fenster
rannte. »Fürst ihr gestattet doch, dass ich einen Blick nach draußen
werfe?«
»Geht nur.« Über den Burghof sah er zwei Reiter kommen.
Unzweifelhaft sah man, dass ein Reiter zarter gebaut war. Maria und
Anna hatten es plötzlich eilig nach unten zu kommen. »Ihr müsst sie
entschuldigen«, bemerkte die Fürstin, »manchmal sind sie noch wie
Kinder.« Er konnte es auch nicht abwarten, Margaret kennenzulernen.
Unten führten die drei Frauen ein erregtes Gespräch. Mehr als
erstaunt war er, als Margaret in der Tür stand. Sie warf ihm einen
Blick zu und begrüßte dann den Fürst und die Fürstin. Maria übernahm
es, sie einander vorzustellen. Margaret schien aus einer anderen
Welt zu kommen.
Lange Kleider bis zum Boden schien sie nicht zu kennen. Sie hatte
eine eng anliegende Hose aus Leder an, ihre Füße steckten in
kreuzweise geschnürten Stiefeln. Um die allzu offen gezeigte Figur
zu mildern, trug sie einen Überwurf, der bis eine Handbreit unter
dem Knie reichte. Der an den Seiten offene Überwurf, wurde durch
einen verzierten Gürtel zusammengehalten. Das Schwert an der linken
Seite, ein voller Köcher mit Pfeilen und ein Bogen über ihre
Schulter, vervollständigten das Bild. Ihr Haar würde sicher bis zur
Schulter reichen, ein grobmaschiges Netz hielt das Haar im Nacken
fest. Beide waren sie so damit beschäftigt den Anderen zu
begutachten, dass sie erst voneinander ließen, als ein Hüsteln der
Fürstin ihren Blickkontakt unterbrach. Anna und Maria lachten in
verhohlener Hand. »Ihr seht mich erstaunt«, sagte Kristian, »ich
hatte nicht erwartet, eine so wehrhafte Frau hier anzutreffen.«
»Sind in eurem Land die Frauen anders?«
»In meinem Land sind die Frauen gleichberechtigt, das heißt, sie
machen das Gleiche wie die Männer, und wenn es nötig ist, ziehen sie
auch mit in den Krieg.«
»Dein Land würde mir gefallen. Es sind viele Geschichten über euch
erzählt worden«, sagte Margaret, »ich bin froh, euch
kennenzulernen.«
»Das Gleiche gilt für mich.
Kommt eure Familie damit klar, dass ihr so wehrhaft seid?«
»Mein Vater ist ein Ritter, er sagt, dass eine Frau sich selber
verteidigen können muss.«
»Margaret ist eine gute Jägerin, ihr Pfeil trifft meistens ihr
Ziel«, sagte Maria.
Schon wieder war von einem Pfeil die Rede, er kam seinem Traum immer
näher.
»Wenn ihr wollt, könnt ihr mich auf der Jagd begleiten.« Margaret
schaute ihn herausfordernd an. »Ist es denn schicklich, wenn ihr
alleine mit einem fremden Mann ausreitet?«
»Ihr seid Gast dieses Hauses, das ist Sicherheit genug.«
»Ich würde gerne mit euch auf die Jagd gehen.«
»Also gut, gegen Mittag reiten wir los.«
»Und was ist mit euch«? fragte er Maria und Anna.
»Das würde unsere Mutter nicht erlauben.«
»Es wäre schön, wenn ihr Jagdbeute mitbringen würdet«, sagte der
Fürst, »unsere Vorräte sind bedenklich geschrumpft.«
»Womit geht ihr bei euch auf Jagd«? fragte Margaret.
»Bei uns geht man mit einer Büchse auf Jagd.« Kristian wusste, dass
um zwölfhundertfünfzig die ersten Kanonen und Büchsen von sich reden
machten. Die Büchse war eine Hakenbüchse. Diese wurde so genannt,
weil sie einen Haken zum Einhaken hatte, um damit den enormen
Rückstoß abzufangen. »Wir haben keine Büchse, für die Jagd wäre sie
ungeeignet«, sagte Margaret.
Die Fürstin ließ Suppe auftragen. Zu der Suppe wurde Brot gereicht,
das in die Suppe getaucht wurde. Margaret, die ihm gegenübersaß, sah
ihn über ihren zum Mund geführten Löffel an. Ihre Augen lächelten
nicht, es war ein abschätzender Blick. Er folgte ihren Gedanken. An
einem Rastplatz sah sie sich von ihm in den Arm genommen, und sie
küssten sich. Er lächelte sie an und schüttelte leicht den Kopf. Als
wenn sie die Geste verstanden hatte und so deutete, als wenn er ihre
Gedanken gelesen hätte, verschluckte sie sich prompt, bis ihr die
Tränen kamen.
»An was habt ihr gerade gedacht«? fragte er.
»Ich, ich habe an nichts gedacht.«
»Kristian«, sagte die Fürstin, »was haben die Leute gesagt, als sie
erfuhren, woher ich kam?«
»Ihr werdet das Gefühl kennen Fürstin, es ist einfach
unbegreiflich.«
»Ihr habt recht, Kristian, manchmal denke ich, dass ich alles
wirklich nur geträumt habe.«
»Wie denken eure Freunde darüber«? fragte er.
»Wir haben es keinem erzählt, sie würden es für Teufelswerk halten.
Unsere Kirchenführung spasst mit solchen Dingen nicht lange.«
Margaret hörte auf zu kauen, ihr Löffel verharrte vor ihrem Mund.
»Was für Teufelswerk«, flüsterte sie?«
»Kind«, sagte die Fürstin, »wir wollten es keinem erzählen, ich
hoffe, dass deine Lippen versiegelt bleiben.«
»Aber ich weiß doch gar nicht, worum es geht.«
»Ich habe Kristian in seine Welt begleitet.« Sie mussten alle über
das verdutzte Gesicht von Margaret lachen.
»Was habt ihr erlebt«? flüsterte sie.
»Ich bin eigentlich nicht weit gereist, ich habe meine Nachfahren
kannengelernt.«
»Das verstehe ich nicht, hier in dieser Burg?«
»Ja.«
»Das ist unheimlich.«
»Ja, du hast recht«, sagte Anna, »deshalb ist auch keiner von uns
mitgekommen.«
»Und die Menschen sind wie Kristian?«
»Ja.«
»Wenn ihr mehr Menschen aus meiner Welt kennenlernen wollt, bringe
ich zwei Freundinnen mit.« Margaret schaute von der Fürstin zu ihm,
»wenn das möglich ist, möchte ich sie kennenlernen.«
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»Meinen
Vater würde das sicher interessieren.«
»Ich
will eurem Vater die Geschichte gerne erzählen.
Wir sind nur noch
zwei Stunden von Zuhause entfernt, warum reiten wir nicht direkt
dorthin«? fragte sie.
»Was
ist mit dem Wild, welches wir jagen wollten?«
»Das
machen wir morgen auf dem Rückweg.«
»Einverstanden.«
Sie ritten
schweigend nebeneinander, ihre Blicke trafen sich, ohne dass sie
etwas sagten.
»Ihr
habt zwei Frauen, um die ihr werbt?«
»Werben
ist nicht der richtige Ausdruck, bei uns geht man miteinander und
lebt zusammen, so als wäre man verheiratet. Man prüft, ob man
zusammenpasst, dann heiratet man oder auch nicht. Die zweite Frau
ist die Freundin meiner Freundin Jessika und heißt Jeanette. Ich
werde sie euch vorstellen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.«
Von vorne kam ihnen ein Trupp Reiter entgegen. Ihm fiel seine Kamera
ein, er holte sie hervor und richtete sie auf die Reiter, die
nebeneinander ritten, als wollten sie ihnen den Weg versperren. Sie
waren noch zu weit entfernt, als dass man die genaue Zahl bestimmen
konnte. Er zoomte sie heran. Fünf oder sechs waren es. »Freund oder
Feind«? fragte er Margaret.
»Das werden wir noch schnell genug erfahren.«
Bald erkannte man die ersten Gesichter.
»Freunde sind es nicht«, sagte er, nachdem er den Einäugigen erkannt
hatte.
»Ich habe auch jemand erkannt«, meldete sich Margaret.
»Der Mann mit der Augenklappe?« Margaret nickte. Sie sahen, wie ein
Mann seine Armbrust spannte und einen Pfeil einlegte. Kristian fiel
sein Traum ein. Er sollte nicht hier sein.
»Es sind zu viele«, stellte Margaret fest.
Sie waren noch auf freiem Gelände. Einhundert Meter vor ihnen fing
der Wald an.
»Folgt mir.«
Die Kamera nach vorne richtend, folgte er ihr. Die Pferde sprangen
erschreckt hoch, als sie ihre Fersen in ihre Seiten drückten. Für
die Reiter musste es so aussehen, als würden sie auf sie zureiten.
Raum gewinnend, preschten sie auf den Wald zu. Sie wollten die
Reiter links liegen lassen und den Wald zwischen sich bringen. Er
sah gerade noch, wie auch die Reiter ihre Pferde antrieben.
Der Wald war zu dicht, als dass sie durch ihn hindurch reiten und
ihnen den Weg abschneiden konnten. Die Reiter mussten den gleichen
Weg nehmen wie sie. Bis dahin hatten sie einen Vorsprung gewonnen.
Margaret lenkte ihr Pferd in eine Lichtung, er hinterher. Sie
sprangen von den Pferden, Margaret reicht ihm ihre Zügel und deutete
in den Wald. Beide Pferde am Zügel, versuchte er, bessere Deckung zu
finden.
Mit laufender Kamera band er die Zügel an einen Busch und suchte
Margaret. Sie stand mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt. Schon
preschten fünf Reiter an ihnen vorbei. Ehe er begriff, trat Margaret
aus ihrer Deckung und schoss einen Pfeil auf den letzten Reiter ab.
Mit laufender Kamera rannte er zu ihr, ein Auge auf das Display
gerichtet. Der Pfeil hatte den Reiter durchbohrt. Als Erstes ließ er
seine gespannte Armbrust los und versuchte, sich im Sattel zu
halten. Dann fiel er vom Pferd, ohne dass die anderen Reiter etwas
davon mitbekamen. Margaret legte den nächsten Pfeil ein, erkannte
aber, dass die Reiter schon zu weit weg waren. Kristian sah, dass
hinter ihr der sechste Reiter angebraust kam. »Margaret, Achtung
hinter dir«! schrie er. Der Reiter kam mit gezogenem Schwert auf sie
zu. Margaret, den Bogen noch gespannt, drehte sich um und zielte auf
den Reiter. Dieser erkannte die Gefahr und versuchte sein Pferd
herumzureißen. Zu spät. Der Pfeil bohrte sich in seine Brust. Auf
dem Display sah er noch den erstaunten Ausdruck auf seinem Gesicht,
dann kippte er aus dem Sattel. »Holt die Pferde«, bat Margaret. Mit
den Pferden am Zügel kam er zurück. Margaret kniete vor dem Reiter
und schnitt ihm seinen Geldbeutel ab. »Den braucht er nicht mehr«,
sagte sie. »Bindet sein Pferd bei euch an.« Zu Fuß gingen sie zu dem
getroffenen Armbrustschützen. Eindeutig tot. Margaret stellte ihren
Fuß auf den toten Körper, zog den Pfeil heraus, wischte ihn am Toten
sauber und steckte ihn in ihren Köcher zurück. So brutal das auch
aussah, den Fernsehzuschauern würden die Haare zu Berge stehen.
Wieder ein Schnitt und sie hielt den zweiten Geldbeutel in ihre
Hand.
Nicht weit entfernt graste das zweite Pferd. Margaret nahm die Zügel
und ging damit zu ihrem Pferd. Er nahm das Schwert auf und steckte
es hinter seinen Gürtel. Wer weis was sie noch erwartete. Sie saßen
auf. Da der Armbrustschütze tot war, brauchten sie die Wegelagerer
nicht mehr zu fürchten, dachten sie.
Sie ritten auf den Weg zurück, den sie ursprünglich nehmen wollten.
Er deutete auf die Geldbeutel, »ist das eure Beute?«
»Ja, sicher, sie hätten das Gleiche gemacht.«
»Wir hätten wohl besser die Armbrust mitnehmen oder die Sehne
durchschneiden sollen«, meinte er.
»Ja, ihr habt recht.« Zügig ritten sie auf ihr Ziel zu. Margarets
Gesichtszüge wirkten angespannt.
»Was ist, rechnet ihr noch mit einem Angriff?«
»Nur wenn sie das Letzte aus ihren Pferden herausholen.« Margarets
Augen zuckten nervös. Als wenn er es geahnt hatte. Vier Reiter
stellten sich ihnen in den Weg, ihre Pferde dampften. Der Einäugige
hielt die Armbrust des vom Pferd gefallenen auf sie gerichtet. Noch
waren sie nicht auf Schussweite an sie herangekommen. Margaret griff
nach einem Pfeil und spannte den Bogen. Kristian schaltete die
Kamera aus, jetzt musste er beide Hände freihaben und griff nach dem
erbeuteten Schwert. Langsam ritten sie ihnen entgegen. Obwohl noch
zu weit entfernt, schickte Margaret den ersten Pfeil in ihre
Richtung. Der Pfeil erreichte sein Ziel nicht, immerhin traf er ein
Pferd in die Brust, was dazu führte, dass es seinen Reiter abwarf.
Ihr nächster Pfeil hätte sein Ziel erreicht, wenn der Einäugige sich
nicht rechtzeitig geduckt hätte. Kristian zog das Beutepferd näher
an seine Seite. Jetzt ging es um die Wurst.
Eins musste man dem Einäugigen lassen, kaltblütig wartete er auf
eine passende Gelegenheit. Er wusste, dass er für einen zweiten
Schuss keine Zeit mehr haben würde. Bis jetzt hatte Kristian sich
noch keine Gedanken um seine Sicherheit gemacht. Erst wenn sie
Margaret ausgeschaltet hatten, wäre er in Gefahr. Margaret spannte
ihren Bogen und der Pfeil flog auf den Einäugigen zu. Dieser
versuchte wieder, dem Pfeil auszuweichen, was ihm aber nicht gelang,
da auf beide Seiten von ihm seine Kumpane Pferd an Pferd ritten. Er
duckte sich und schoss gleichzeitig.
Es war mehr eine Ahnung, als dass Kristian den Pfeil kommen sah. Er
suchte Deckung hinter dem Hals seines Pferdes. Gleichzeitig dachte
er an seinen Traum. Würde er hier in Erfüllung gehen? Dann der
Schmerz, er schaute auf seinen Arm, an dem das Blut herunter lief.
Da er den Pfeil nicht sah, wusste er, dass er ihn nur gestreift
hatte. Mehr Zeit zum Überlegen blieb ihm nicht.
Mittlerweile waren sie auf Schwertlänge herangekommen. Margaret
schlug auf den Einäugigen ein. Gerade noch Zeit, den Hieb eines
anderen abzufangen, blickte Kristian in ein grimmiges von einer
Narbe entstelltes Gesicht.
In den Steigbügeln stehend, holte er aus und schlug über das
Beutepferd hinweg auf den Mann ein. Der hatte Mühe sich im Sattel zu
halten. Kristians Schwert traf ihn am Arm, das Schwert löste sich
aus seiner Hand. Im nu, färbte sich sein Ärmel rot. Jetzt hatte
Kristian Zeit nach Margaret zu schauen. Sie musste sich auf beide
Seiten verteidigen. Kristian trieb sein Pferd auf den Einäugigen zu.
Dieser ließ von Margaret ab. Seinem Schlag ausweichend, schlug er
auf Kristian ein. Dieser riskierte einen kurzen Blick nach Margaret.
Ihr Gegner hatte einen abwesenden Blick. Sein Kopf war bis zur
Nasenwurzel gespalten. Schade, dass er seine Kamera nicht
eingeschaltet hatte, sie baumelte vor seiner Brust. Margaret kam ihm
zu Hilfe. Von zwei Seiten hieben sie auf den Einäugigen ein, was
seinerseits mit Zurückhaltung geschah. Jemand zu töten, war nicht
sein Ding. Dafür schlug Margaret umso fester zu. Kristians Hiebe
lenkten ihn genügend ab, sodass Margaret einen Hieb platzieren
konnte, der ihn am Hals traf.
Ein Strom von Blut quoll aus der Wunde hervor. Kristian hörte auf zu
kämpfen, hatte Zeit, die Kamera einzuschalten. Der Einäugige starrte
sie mit schreckgeweiteten Augen an. Kristian zoomte ihn heran,
sodass sein Gesicht das Display füllte. Kristian wusste nicht, ob
der Mann noch mitbekam, dass er tödlich getroffen war. Im
Zeitlupentempo kippte er aus dem Sattel. Sie sahen sich um. Die
beiden zuvor ausgeschiedenen Räuber standen am Wegrand. Der eine
humpelte, der andere hielt seinen Arm umklammert. Als sie ihre
Pferde in die Richtung der Männer lenkten, versuchte der humpelnde
Mann, wegzulaufen.
Margaret trieb ihr Pferd an. Der Mann winselte um Gnade. Margaret
holte aus und spaltete ihm seinen Schädel. Der am Wegrand
verbliebene Mann wusste, was ihn erwartete. Mit Mühe zog er sich auf
das nächste Pferd und trieb es von sie weg. Margaret machte keine
Anstalten ihm zu folgen. Stattdessen stieg sie vom Pferd und
sammelte die Geldbeutel ein.
»Wollt ihr sie hier liegen lassen«? fragte Kristian, die Kamera auf
sie richtend.
»Es wird sich schon jemand um sie kümmern, ihre Kleidung wird bald
ein anderer tragen, den Rest werden sich die Raben teilen.« »Wenn
ihr nichts dagegen habt, nehme ich mir ihre Schwerter.« Er stieg ab
und sammelte sie ein. Mit einem Riemen, den ein Räuber um seine
Hüfte trug, band er sie zusammen und hängte sie an seinen Sattel.
Jetzt erst wurde ihm bewusst, wie leichtsinnig er gewesen war. Im
Eifer des Gefechts hatte er nicht an die Elfenkraft gedacht. Der
Kampf hätte nicht so blutig enden müssen.
Jetzt hatten sie fünf Beutepferde. Drei führte Margaret, zwei er am
Zügel mit. »Ihr habt euch gut geschlagen«, sagte Margaret.
»Mir blieb doch nichts anderes übrig.«
»Da habt ihr sicher recht. Wir sind gleich da.« Nachdem sie durch
eine Senke geritten waren, sah er Gebäude. Die Kamera ließ er
laufen. Ein Turm, Wohnhaus und Stallungen. Das Tor stand zwischen
hohen Mauern aus Steinen. Die Rückseite des Wohnhauses war eine
Wehrmauer. Außerhalb des geschützten Bereichs standen Holzhäuser.
Sie ritten durch das offen stehende Tor. Im Hof eilten zwei Männer
auf sie zu und nahmen sich der Pferde an.
»Margaret, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?« »Vater,
ich möchte dir Kristian vorstellen, er ist beim Fürsten zu Gast.«
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»Hallo Kristian«, erschreckt zuckte er zusammen.
»Schläfst du immer mit offenen Augen«? fragte Jessika.
»Ich habe von dem Tor geträumt, immer wieder. Das hat was zu
bedeuten.«
»Hast du nicht mal gesagt, dass es noch mehr Tore geben soll«?
fragte Jessika.
»Du hast recht, Hera der Bruder der Elfenkönigin hat mal so etwas
gesagt. Was ist, wenn unser Tor der Zugang zu anderen Toren ist?«
»Das ist mir zu hoch«, sagte Jessika, »komm lass uns aufstehen.«
Wehrend Jessika aufstand, grübelte er über die Möglichkeiten nach.
Das Tor war immer das Gleiche. Wenn er hindurchging, dachte er an
die Burg und kam automatisch dort an. Woran sollte er denken, wenn
er durch ein anderes Tor wollte. Er hörte das Rauschen der Dusche im
Bad und klammerte die Burg aus seinen Gedanken aus, zumindest
versuchte er es. Das Tor, ein anderes Ziel. Als Jessika aus dem
Badezimmer kam, war er nicht mehr da.
Kristian stand im Schlafanzug vor einer Schale mit Wasser, in der
Blumen schwammen. Die Schale stand auf einem Podest, über ihm ein
Dach aus Schilf, ebenso die Wände. Schmale, schießschartenartige
Öffnungen in den Wänden, ließen Licht in den Raum. Ein offener
Durchgang ohne Tür führte nach draußen. Vorsichtig schaute er durch
eine Öffnung. Unter ihm sah er acht lang gestreckte Hütten, die um
einen Dorfplatz gruppiert waren. Sie waren doppelt so lang, wie sie
breit waren und in der gleichen Art gebaut, wie das, in dem er jetzt
stand. Noch gab es keinen Hinweis, in was für einem Zeitalter er
hineingestolpert war. Kinder rennen über den Platz. Eine Frau mit
langem Gewand, einen Korb im Arm, kommt zu ihm hoch. Platz zum
Verstecken gab es nicht.
Wir werden uns bestimmt wiedersehen dachte er, aber nicht in einem
Schlafanzug.
Jessika schrie auf, »musst du mich so erschrecken, wo warst du?«
»Auf Entdeckungstour.«
»Und du hast vor, gleich wieder zu gehen?«
»Vorher ziehe ich mich an, und Frühstücken möchte ich auch noch.«
»Pass auf dich auf«, sagte Jessika, nachdem sie mit dem Frühstück
fertig waren.
»Bis bald.«
Wieder kam er an der gleichen Stelle an. Vertieft in seinen
Gedanken, nahm er nicht wahr, dass die Frau zurückgekommen war. Ein
Geräusch in seinen Rücken ließ ihn herumfahren. Mit vor Schreck
geweiteten Augen sah sie ihn an, nicht wissend, ob sie die Flucht
ergreifen sollte. Er hob beschwichtigend seine offenen Hände und
bewegte sich nicht. »Ich bin ein Freund«, sagte er. Wie erwartet,
waren das für sie fremde
Worte. Sie antwortete ebenfalls mit Worten, die er nicht verstand
und er schüttelte den Kopf. Dann kamen lateinische Wörter. Latein
hatte er in der Schule nicht gehabt. Mittlerweile hatte sie wohl
erkannt, dass er keine Gefahr für sie bedeutete. Sie winkte ihm zu,
dass er ihr folgen sollte. Noch zögernd folgte er ihr nach draußen.
Sie hatten die Hälfte des Weges geschafft, als man unten auf sie
aufmerksam wurde. Erwartungsvoll schaute man ihnen entgegen. Die
Kinder suchten hinter ihren Eltern Schutz. Sie standen sich bald
gegenüber. Feindliches Gebaren konnte er nicht erkennen. Die Frau
erzählte ihnen, wo sie ihn gefunden hatte. Dann zog sie ihn zum
größten und längsten Haus. Sie gingen hinein. Innen sah er Ställe,
die zwei Drittel des Hauses ausmachten. Der Rest war wohl der
Wohnraum. Ein langer Tisch mit Bänken davor. Schlafgelegenheiten,
doppelstöckig an den Außenwänden, und eine Feuerstelle. Anders wie
im Mittelalter befand sich der Abzug nicht direkt darüber. Er sah
zwei Abzugsöffnungen rechts und links im Strohdach. Einige der
Dorfbewohner waren ihnen gefolgt. Die Frau gab Kristian zu
verstehen, dass er sich an den Tisch setzen sollte. Sie stellte
einen Becher vor ihm hin. Aus Höflichkeit trank er einen Schluck.
Von draußen drang Lärm herein. Kurz darauf wurde die Tür
aufgestoßen und eine Gruppe Männer strömte herein. Wer der
Anführer war, war schwerlich zu übersehen. Nicht nur die
Kleidung, auch sein Auftreten wies ihn aus. Sein Blick ging
abwechselnd von Kristian zu der Frau. Diese erklärte, woher er
kam. Kristian war aufgestanden, jeder schien den Anderen mit
Blicken durchleuchten zu wollen. Langsam wurde es peinlich. Sich
anblicken und lächeln konnte nicht ewig so weitergehen.
Wenigstens vorstellen wollte er sich. Er deutete auf sich und
sagte, »Kristian.«
Gegen Mittag begegneten ihnen die ersten Römer, dann sahen sie das
Kastell. Es lag auf einer Anhöhe, umgeben von Wiesen und
Anbauflächen. Lena drückte fleißig auf den Auslöser. Fast im Quadrat
war das Kastell ca. einhundertfünfzig Meter breit, in der Länge
etwas mehr. Auf jede Seite gab es Tore mit seitlichen Türmen. Stämme
bildeten die Schutzmauer. In den abgerundeten Ecken je ein Turm. Ein
Schutzgraben von fünf bis sechs Meter Breite, und wohl zwei Meter
tief, umgab das Lager. »In dem Gebäude, dort in der Mitte, wohnt der
Tribun Quintus«, erklärte Godwin.
»Sie haben hier eine Kohorte stationiert, das sind ungefähr
fünfhundertfünfzig Legionäre. Diese werden von sechs Centurien
befehligt. Rechts und links neben dem Tor, durch welches wir gleich
reiten, stehen sechs Mannschaftsquartiere, weiter oben noch mal
zwei. Es waren drei Baracken auf jede Seite der Straße. In jede
Baracke gibt es zehn Doppelräume, vorne der Wohnraum mit Ofen,
hinten die Schlafräume für insgesamt achtzig Legionäre. Dort drüben
sind die Ställe der Pferde, Kornspeicher und das Lazarett. Dort die
Wohnung der Centurien.« Sie erregten keine besondere Aufmerksamkeit,
als sie durch das Tor ritten. Die Wachen nahmen sie wahr, mehr aber
auch nicht.
Bei Lena verweilten ihre Blicke länger, wohl, weil sie die Kamera
vor sich hielt und das Display beobachtete. Sie ritten bis vor das
Gebäude des Tribuns und banden ihre Pferde an. Ihnen begegneten
Soldaten.
»Die mit den quergestellten Besen auf den Helmen, das sind die
Centurien«, erklärte Godwin. Seine Männer blieben bei den Pferden.
Godwin voran, gingen sie in das Gebäude des Tribuns. Außer dem
Tribun waren noch zwei Centurien im Raum. »Godwin sei gegrüßt«,
wurden sie empfangen. »Tribun Quintus, sei auch du gegrüßt. Das sind
meine Freunde Kristian und seine Begleiterin Lena.«
»Godwin«, fing der Tribun an, »wir alle wissen, warum wir hier
zusammengekommen sind. Drei meiner Legionäre sind von deinen Leuten
getötet worden.«
»Ich habe gehofft«, fing Godwin an, »dass wir darüber verhandeln
könnten?«
»Zum Verhandeln gibt es keinen Grund mehr, alle Dorfbewohner wurden
mit dem Tod bestraft, ihr Dorf abgebrannt.«
»Aber warum bin ich dann hier«? fragte Godwin.
»Du sollst deine Leute warnen, dass ihnen das Gleiche passiert.«
»Tribun Quintus, du weißt selber, wie schlecht die Ernte ausgefallen
ist, wenn du meinen Leuten auch noch ihr Vieh nimmst, kommen sie
nicht durch den Winter.«
»Godwin, ich verstehe deine Lage, nur musst du auch meine verstehen.
Ich habe über fünfhundert Legionäre zu versorgen, die muss ich auch
durch den Winter bringen. Es bleibt dabei, wer seine Abgaben nicht
leisten kann, der muss mit Vieh bezahlen.«
»Hoffentlich weißt du, dass ich Mühe habe, meine Männer
zurückzuhalten, sie wollen den Krieg«, sagte Godwin.
»Ja, das weiß ich, aber du weißt auch, dass sie ihn nicht gewinnen
können.«
»Ja, das weiß ich, meine Männer aber nicht.«
»Ich glaube«, der Tribun schaute in die Runde, »wir haben alles
besprochen.«
»Und nun zu Godwins Freunde. Wie lange kennt ihr Godwin schon?«
»Schon eine Weile.«
»Ihr beherrscht ausgezeichnet unsere Sprache.«
»Das bringen meine Reisen so mit sich.«
»Was macht die Frau da, mit ihrem Kästchen?«
»Tribun, wir kommen aus einem Land, das Dinge kann, die ihr euch
nicht vorstellen könnt. Darf ich die Frage über das Kästchen
beantworten, wenn ich euch das nächste Mal besuche, vorausgesetzt
ihr habt nichts dagegen? Ich zeige euch dann, was das Kästchen kann.
Wie ich meine Frauen kenne, wollen sie euch und das Lager auch
kennenlernen. Darf ich sie mitbringen?«
»Wie viele Frauen habt ihr denn?« »Nur eine. Die Freundinnen meiner
Frau sind so neugierig, dass sie nicht eher Ruhe geben, bis sie euch
und alles andere kennengelernt haben.«
»Wir würden uns freuen.« Einer der Centurien stand auf. Mein Name
ist Lucius Marcius Phillipus, meine Freunde sagen Phillipus zu mir.
Wir können es nicht erwarten deine Frauen kennenzulernen.«
»Lena hast du alles aufgenommen«, fragte er in seiner Sprache?« Sie
nickte.
»Tribun habt ihr etwas dagegen, wenn man uns durch euer Lager
führt?« Die Antwort des Tribuns nicht abwartend, trat der andere
Centurio vor. »Ich bin Marcus Valerius Rufus, man nennt mich Rufus
den Roten.«
Das traf zumindest auf seine roten Haare zu.
»Ich werde euch durch das Lager führen.«
»Tribun, es war uns eine Ehre, euch kennengelernt zu haben.« Sie
gingen nach draußen, Rufus der Rote voran.
»Was wollt ihr sehen?«
»Alles«, sagte Lena.
»Dann fangen wir mit dem Lazarett an.« Wie alle Bauten war auch
dieses aus Holz. Ein langer Raum, auf beiden Seiten standen die
Betten, allesamt leer. Hinten war noch ein kleiner Raum. Daraus kam
ihnen ein Mann entgegen. »Das ist unser Arzt Tiberius«, stellte
Rufus ihn vor.
»Welch seltener Besuch«, sagte dieser. »Tiberius, wenn ihr wollt,
bringe ich das nächste Mal meine Ärztin mit, sie kann sicher noch
viel von euch lernen.« Das war dick aufgetragen, aber was soll's.
»Ich würde mich freuen«, sagte er.
»Also bis dann.«
»Bei den Germanen rumort es«, meinte der rote Rufus, sie können
jederzeit losschlagen.«
»Macht euch das Sorgen?« fragte Kristian.
»Nein, gegen einen kleinen Kampf habe ich nichts einzuwenden.« »Das
nächste wichtige Gebäude ist das Principium, mit seiner
Versammlungshalle, Gerichtsraum, Schreibstube der Verwaltung,
Lagerkasse und unser Fahnenheiligtum mit den Feldzeichen.« Das
wollte Lena unbedingt sehen. Der rote Rufus war in seinem Element.
»Der Feldzeichenträger steht im Kampf neben dem Centurio, ebenso der
Hornbläser.« Das Feldzeichen hatte die Grundform eines Speeres,
darunter eine Tafel mit den Namen der Einheit und ihren
Auszeichnungen. Auf beide Seiten der Tafel hängen metallbeschlagende
Lederbänder herab. Weiter ging es zu den Mannschaftsbaracken.
Neugierig schauten sie hinein. Die Räume waren unterteilt in
Wohnraum mit Ofen und Schlafraum und mit den doppelstöckigen Betten.
»Wie viele Männer leben hier«? fragte Lena. »Je acht Legionäre«, was
eine Belegung von achtzig Mann pro Baracke ausmachte.
Sie gingen zum Getreidespeicher und kamen an den Ställen vorbei.
Godwin folgte ihnen schweigend. »Wann werdet ihr wiederkommen«?
fragte der rote Rufus.
»Bald.«
Die Legionäre, die sie trafen, schauten neugierig hinter ihnen her.
»Ich habe Frauen in eurem Lager gesehen«, sagte Kristian, »wohin
gehören sie?«
»Einige Legionäre haben ihre Frauen hier und ihre Kinder. Es gibt
aber auch Frauen hier, die sich verkaufen. Dort, hinter der Baracke,
gibt es einige Händler.«
»Dürfen wir uns das ansehen?«
»Kommt.« Die Frau hinter ihrem Stand witterte ein Geschäft. Er sah
einige Fibeln, Messer, Kämme, Schmuck, Elfenbein, Kristalle und
Bernstein. Diese nahm er in die Hand. In zwei waren Einschlüsse, ein
Käfer und ein Blatt. »Was sollen diese beiden kosten«? fragte er die
Frau. Die Frau war sich nicht sicher, schaute sie nacheinander an
und schien zu überlegen, ob er gut bei Kasse war. »Zwei Denar«,
sagte sie schließlich.
»Das ist ein unverschämter Preis«, ereiferte sich der rote Rufus.
»fünf Sesterze,« sagte sie schließlich. Rufus wollte schon wieder
loslegen, als Kristian abwinkte. Kristian hatte kein römisches Geld.
»Kannst du mir aushelfen«? fragte er Godwin.
»Ich mach das schon«, sagte der rote Rufus und gab der Frau das
Geld.
»Was ist dort«? fragte Lena.
»Das ist die Latrine.«
»Dürfen wir einen Blick darauf werfen?«
»Wenn ihr wollt?« Es gab zehn Sitzplätze in einer Reihe. An jedem
Platz stand ein Holzeimer mit Wasser, darin ein Schwamm an einen
Holzstiel.
»Ganz schön fortschrittlich«, meinte Lena. »Was meinst du, wofür der
Schwamm ist?«
»Eine Klobürste, was sonst.«
»Überleg doch mal, das sind Plumpsklos, dafür braucht man keine
Bürste, normalerweise«, fügte er noch hinzu. Der rote Rufus verstand
kein Wort von dem, was sie sagten. »Putzt ihr euch damit euren
Hintern ab?«
»Ja sicher, habt ihr eine bessere Methode?«
»Wir machen das ähnlich«, würgte Kristian das Thema ab.
»Roter Rufus, wir danken dir für deine Führung, wir werden mit
Godwin jetzt zurückreiten.« Godwins Begleitung saß noch bei den
Pferden. »Godwin, sollen wir erst etwas essen?«
»Wir haben nichts dabei.«
Am Morgen waren sie bereit. Lena saß auf Kristians Pferd, er hielt
die Zügel. Sie kamen am Waldrand an. Vor ihnen Zelte, dahinter das
Kastell. Sie mussten sich sehr sicher fühlen, weil sie keinen Schutz
um ihr Zeltlager gebaut hatten. Kristian dachte an den letzten
Angriff der Germanen, den sie hautnah miterlebt hatten. Lediglich
ein paar Legionäre hielten Wache. Man hatte sie entdeckt. Lena
machte ihre Fotos. Langsam gingen sie auf die Zelte zu. Es war
still. Abwartend beobachteten die Wachen sie.
Es schienen fremde Römer zu sein, nicht die, die sie schon kannten.
Sicher hatten diese schon von ihnen gehört. In den Augen der Männer
glomm Verlangen auf, als sie die Frauen erblickten. Aus den Zelten
kamen mehr Männer hervor. Bald bildete sich ein Spalier, durch das
sie schritten. Vorne am Tor hatten sich Offiziere eingefunden. Rufus
der Rote, ein Centurio, kam ihnen entgegen. Eurone das
Alien-Mischwesen hatte ihnen, das heißt Lena, Jessika und ihm auf
ihrem Planeten mittels einer Apparatur die römische Sprache
beigebracht. Deswegen gab es keine Sprachschwierigkeiten. Jeanette,
die später zu ihnen stieß, musste sehen, wie sie mit ihrem
Schullatein zurechtkam.
»Es ist uns eine Freude, euch zu sehen«, empfing sie Rufus, der
Rote. »Du meinst bestimmt meine Frauen?«
»Du bist natürlich auch willkommen.« Es entstand ein Tumult, als
Gallus, ein einfacher Legionär, sich zu ihnen durcharbeitete.
Zögernd blieb er vor ihnen stehen, als wäre er sich nicht sicher, ob
sie sich seiner erinnern wollten.
»Gallus alter Freund, viel Betrieb hier.«
»Ja, es ist eng geworden.«
»Kristian komm«, drängte Rufus, »der Tribun wird euch sehen wollen.«
Der rote Rufus gab einen Befehl und man kümmerte sich um ihre
Pferde.
Lena drehte sich im Kreis und machte Fotos von den schmachtenden
Legionärsgesichtern. Rufus ging voraus, eine Gasse öffnete sich. Das
Zimmer des Tribuns Quintus füllte sich. Viele der Gesichter kannte
Kristian nicht.
»Kristian, schön, dass ihr kommt, der Anblick deiner Frauen lässt
uns unser eintöniges Leben hier ein wenig vergessen.« Er geleitete
die Frauen zu Sitzgelegenheiten, die von den Männern schnell frei
gegeben wurden. Ein Sklave kam mit einem Tablett, auf dem mit Wein
gefüllte Gläser standen. Sie bedienten sich. »Lasst uns das Glas
erheben auf unsere Freunde«, sagte der Tribun. »Viele von uns kennen
euch noch nicht, haben aber sicher inzwischen von euch gehört.
Die Schönheit unserer weiblichen Gäste wird an den Lagerfeuern
sicher bald genug Gesprächsstoff liefern.« »Tribun, genug des Lobes,
sagt mir, ob ihr Verstärkung erhalten habt?«
»Nein, darf ich euch den Centurio Gaius Octavius vorstellen.« Der
Tribun schaute einen Mann an. Dieser war Kristian schon aufgefallen.
Er war von kräftiger Gestalt mit ausgeprägten Muskeln. Ihm möchte
man als Gegner nicht gegenüberstehen. Sie reichten sich die Hand.
Octavius ließ sie nicht los und zog Kristian zum Ende des Raumes.
»Ich habe schon viel über euch gehört.«
»Und was zum Beispiel?«
»Ihr sollt ein guter Kämpfer sein.«
»Ihr meint sicher die Geschichte mit Bibulus, er ist ein falscher
Hund, der seine Macht an Schwächere austobt. Ich kann mit einem
Schwert nicht umgehen.«
»Trotzdem habt ihr Bibulus besiegt.«
»Ja, mit einem Stock, er hat mir dieses noch nicht verziehen. Sein
Schwert habe ich als Trophäe behalten. Wie soll ich dich nennen?«
»Sag Octavius zu mir.«
»Octavius, was machst du hier?«
»Ich habe einen Konsul in Colenia abgeliefert, wir sind jetzt auf
dem Rückweg.
»Da seid ihr aber noch eine Weile unterwegs.«
»Du sagst es. Wir könnten unser Ziel schneller erreichen, unsere
Begleitfahrzeuge lassen das aber nicht zu. Diese waren Kristian
schon aufgefallen, denn sie nahmen einen Großteil des Platzes vor
dem Kastell in Anspruch. Nicht nur die Verpflegung für die Menschen,
auch die Pferde brauchten ihr Futter. Dazu kamen die Zelte. Auch
Händler nutzten den Schutz der Soldaten.
»Hast du Familie«? fragte Kristian.
»Ja, unser Gut liegt in Florenz. Unser Rückweg führt daran vorbei,
wir machen dort Rast.«
»Ich würde dich gerne begleiten, aber so viel Zeit habe ich nicht.«
Er gab Lena ein Zeichen.
»Lena würdest du ein Foto von Octavius und mir mit der
Sofortbildkamera machen?« Lena nickte. Das Blitzlicht ließ alle
erschreckt in ihre Richtung blicken. Staunend blickte Octavius auf
das Foto, das aus der Kamera kam und zu einem Bild wurde. »Der
Tribun hat mir von euren magischen Kräften erzählt, ich wollte es
nicht glauben.« Dann nahm er das Foto von Lena entgegen. »Sehe ich
so aus«? fragte er zweifelnd.
»Ja, ich kann keinen Unterschied erkennen. Oder sehe ich auf dem
Bild anders aus«? fragte Kristian.
»Das ist ein mächtiger Zauber.« Jetzt kamen die anderen und wollten
das Bild sehen. »Lena mache ein Foto von ihnen.« So abgelenkt,
standen sie bald wieder alleine da.
»Octavius, was hältst du davon, wenn ich dich ein Stück begleite?«
»Das würde mich freuen.«
»Ich könnte, wenn du mir einen Führer mitgibst, vorausreiten und
deiner Frau dieses Bild von uns bringen.«
»Das würde sie sicher erfreuen, aber meinst du, dass es etwas
bringt, wenn du ein paar Tage vor mir dort bist?«
»Lass dich überraschen, gib mir einen Mann mit, der den Weg genau
kennt und vor magischen Kräften, wie du es nennst, keine Angst hat.«
»Was hast du vor?« »Ich werde mir in Ruhe dein Land anschauen.«
Jessika kam zu ihnen, um zu sagen, dass sie zu den Händlern vor dem
Kastell wollten.
»Was ist mit dir Octavius, gehst du mit?«
»Ja, dann zeige ich dir den Mann, der dich begleiten wird.« Einer
Prozession gleich, folgten die Männer den Frauen nach draußen. Der
rote Rufus hatte die Führung übernommen. Die Prozession wurde immer
länger. Alle wollten einen Blick auf die Frauen in ihren engen
Reithosen werfen.
Unterwegs gab Octavius einem Mann ein Zeichen. Der bahnte sich einen
Weg zu ihnen durch. »Decimus, ich habe einen Auftrag für dich.«
Decimus war auch keine halbe Portion und kein einfacher Soldat.
»Decimus, mein Freund Kristian möchte morgen vor uns herreiten.
Bringe ihn sicher zu meiner Frau. Du wartest dort auf uns.«
Abschätzend musterte Decimus Kristian.
»Er hat nicht mal ein Schwert.«
»Ja, ich weiß, er wird einen Stock mitnehmen.«
»Einen Stock?«
»Ja, Kristian ist ein Stockkämpfer, lass dir die Geschichte von
Bibulus erzählen. Du kannst dich auf ihn verlassen. So, jetzt
lass uns zu den Händlern gehen.«
Kontaktaufnahme mit den Atlantern.
»Sei gegrüßt Mann von der Erde und
Freund unserer andersartigen Brüder. Du hast meine Botschaft
angenommen und ich wusste, dass du bereit warst, uns kennenzulernen,
sowie wir dich kennenlernen wollten.«
»Wie darf ich dich ansprechen«? fragte
Kristian gedanklich.
»Sag Ramos zu mir. Ich habe den Auftrag,
dich in meine Welt zu bringen.«
»Warum mich, du weist sicher, wie viele
Menschen es in meiner Welt gibt, darunter sind bestimmt viele, die
würdiger sind als ich, um eure Bekanntschaft zu machen?«
»Als die Nachricht kam, dass du als erster
Mensch die Anwesenheit unserer anderen Brüder kundtatest und auf
ihrer Heimatwelt eingeladen wurdest, wollten wir dich kennenlernen.«
»Ramos sage mir, wer ihr seid? Wo kommt ihr
her? Ihr seid Menschen wie wir, zumindest fast.
»Das, was du deine Heimat nennst, war auch
vor langer Zeit unsere Heimat. Es gab Katastrophen und Kriege, die
ein Teil unserer Vorfahren nicht mehr ertragen wollten. Mit unserer
Technik waren wir allen damaligen Völkern überlegen, was Neid und
Missgunst unseren Nachbarn reichlich Nahrung gab. Wir hätten sie
alle auf einen Schlag vernichten können, was ein großer Teil von uns
auch vorhatte. Ehe es dazu kommen konnte, stiegen die, die dieses
verhindern wollten, in ihre Raumschiffe, damals nannten sie es
Himmelsgefährte, die an geheim gehaltenen Orten bereitlagen, in der
ihr ganzes Wissen gespeichert lag, und nahmen die zerstörerische
Kraft mit. Unsere Vorfahren verließen ihre Heimat und begaben sich
auf die Suche nach einer neuen Welt zwischen den Sternen.«
»Es gab ein Volk, von dem heute noch
erzählt wird, dass es mächtig und seiner Zeit weit voraus war«,
sagte Kristian.
»Sie sollen ihr Wissen zu unredlichen
Dingen verwendet haben, was zu ihrem Untergang geführt hat. Noch
heute suchen sie nach diesem Land, das sie Atlantis nennen.«
»Wir sind nicht untergegangen, aber du hast
recht, unsere Vorfahren stammen von den Menschen ab, die ihr
Atlanter nennt. Wie ich schon sagte, ein Teil von uns zog es zu den
Sternen. Wir fassten Fuß auf den erstbesten erdähnlichen Planeten
und breiteten uns dort aus. Nach langer Zeit und technischem Wandel
besuchten wir unsere Heimatwelt und fanden sie zerstört vor.«
»Willst du damit sagen ihr seid wirklich das untergegangene Volk
Atlantis? Du weißt, dass heute immer noch nach dem sagenhaften
Atlantis gesucht wird?«
»Ja, das wissen wir. Nur sucht ihr an der falschen Stelle. Das
frühere Atlantis ist nicht versunken.« Schwer zu glauben, wer würde
ihm das glauben?
Es gab eine kurze Unterbrechung als ein
zweiter Schatten auf Ramos zutrat, mit ihm kommunizierte und wieder
ging.
»Hast du einen Wunsch, bevor wir die
unmittelbare Nähe deiner Welt verlassen?«
»Ich weiß nicht, ob das möglich ist, kannst
du mich einen Blick auf meine Freundin werfen lassen, ich konnte
mich nicht verabschieden?« Er zuckte zusammen, vor ihm die Halle,
dann ein Schwenk durch die geschlossene Küchentür. Jessika saß mit
Großvater am Küchentisch. Er sah, dass Ramos nickte. Jetzt sahen sie
ihn in einer Kugel, die vor ihnen schwebte. »Kristian, wo bist du«?
fragte Jessika erschrocken.
»Ich bin bei Freunden, ihre Welt ist weit
entfernt, wir sind noch nicht angekommen, macht euch keine Sorgen,
mir geht es gut.« Er blickte auf die sechs Personen hinter sich und
hoffte, dass Jessika sie auch sah.
»Aber da sind doch noch mehr Menschen«,
rief Jessika.
»Ja, aber nicht aus unserer Welt. Ich
muss jetzt Schluss machen, bis bald.« Interessiert hatten alle
zugehört. Er sah gerade noch, dass Großvater etwas fragen
wollte, als die Übertragung erlosch
Kristian und Jessika kamen von einem Besuch auf dem Heimatplaneten der
Alien zurück. Dort hatte Kristian Eurone eine Wissenschaftlerin, welche
ein Mischwesen der Alien war, kennengelernt.
Zuhause erwartete sie eine Überraschung. Als sie so plötzlich in der
Halle erschienen, kam ihnen Aron bellend entgegen. »Was ist denn jetzt
schon wieder los«? fragte eine Stimme. Kristian und Jessika schauten
sich an.
»Mutter«, stellte Jessika fest.
»Mama, wir sind zuhause.«
»Das gibt auch langsam Zeit. Wir kamen nicht mal in unser eigenes Haus.
Das Monster von Hund hat uns nicht hereingelassen.«
»Braver Hund«, sagte Kristian leise und erntete einen bösen Blick von
Jessika.
»Das Schönste war, Großvater stand hinter den Sträuchern und hatte
seinen Spaß.« Mama kam aus der Küche.
»Hallo Kristian.«
»Guten Tag Frau Sanders.«
»Wo ist Papa«? fragte Jessika. »Der schaut sich mal um.« Kristian suchte
Blickkontakt mit Maria, sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. Sie
waren also noch ahnungslos.
»Hier hat sich ja einiges geändert.«
»Ja Mama, Kristian schläft bei mir.«
»So, kann mir mal einer sagen, warum Großvater immer vor sich her
grinst?«
»Das ist uns noch gar nicht aufgefallen Mama.«
»Papa.« Jessika nahm ihren Vater stürmisch in den Arm.
»Hallo Kristian.«
»Guten Tag Herr Sanders.«
»Was sollte die Buddelei im Turm?«
»Wir haben einen Tunnel freigelegt.«
»Und was ist damit?«
»Der führt in die Halle.«
»In die Halle, was soll der Quatsch?«
»Wir zeigen ihn euch später.«
»Wie seid ihr darauf gekommen?«
»Ein Freund gab uns den Tipp«, dabei mussten sie lachen. »Wolltet ihr
nach dem Rechten sehen, oder warum seid ihr gekommen«? fragte Jessika.
»Man fühlt sich seines Lebens nicht mehr sicher, überall hört man von
UFOs und Alien.«
»Hast ja so recht Mama«, lachte Jessika.
»Du brauchst deine Mutter gar nicht auslachen.«
»Wo kommt eigentlich die zweite Rüstung her«? fragte Papa. Jessika
schaute Kristian an, dieser zog seine Schultern hoch. »Ja, das ist eine
von vielen Sachen, die wir euch noch erklären müssen.«
»Kind, was ist mit dir passiert, ich habe dich ganz anders in Erinnerung
und dich auch Kristian.«
»Da sind bestimmt die UFOs dran schuld«, sagte Jessika lachend. »Mach
dich nur über deine Mutter lustig.«
»Hallo Kinder«, sagte Großvater, als er von draußen herein kam. »Wie
geht es Graf Falkenhorst?«
»Wir waren nicht auf Falkenhorst.«
»Ihr ward mit, wie heißt er noch mal?«
»Cyro, Großvater.«
»Also mit Cyro unterwegs?«
»Ja.«
»Was redet ihr für einen Unsinn daher«? fragte Jessikas Vater. »Papa,
habt ihr im Urlaub eigentlich keine Zeitung gelesen?«
»Ja sicher, ich konnte es nicht mehr hören und sehen, Burg Falkenhorst
im Mittelalter, so ein Quatsch, für wie dumm halten uns die Leute
eigentlich.«
»Der Wildbratenspieß auf Burg Falkenhorst war nicht zu verachten«, sagte
Großvater vergnügt, »und der Waffenmeister kann einiges vertragen.«
»Sind denn hier alle verrückt geworden?«
»Du musst es deinen Eltern sagen«, sagte Kristian, »wir zeigen ihnen die
Burg.«
»Wir wissen, wie die Burg aussieht, schließlich wohnen wir schon lange
hier«, meinte die Mutter.
»Kommt trotzdem mit, es ist ja nicht weit.«
»Das will ich sehen«, freute sich Großvater.
»Kommt gar nicht infrage«, sagte Jessikas Mutter. Der Vater hielt sich
zurück, vielleicht ahnte er langsam das Ausmaß der Geschichte.
»Fasst euch an und lasst auf keinen Fall los«, sagte Kristian. »Kinder,
was macht ihr mit uns«, jammerte Mama, »ich habe Angst.« Der erste
Sprung brachte sie vor die Burgruine. Dass sie so schnell vor der
Burgruine standen, war der Mutter weit weniger wichtig, als die
Tatsache, dass sie recht hatte und die Burg das war, was sie schon seit
Jahrhunderten war, eine Ruine. Die Ruine noch vor Augen, änderte sich
das Bild plötzlich. Sie standen jetzt vor der Vorburg, die Hauptburg im
Hintergrund.
»Kinder, was macht ihr nur mit uns?«
»Es stimmt, was die Zeitungen schreiben«? fragte der Vater. Kristian
nickte.
»Und was habt ihr damit zu tun?«
»Kristian hat ein Tor ins Mittelalter gefunden.«
»Und da seid ihr hindurchgegangen?«
»Mich hatte er anfangs nicht eingeweiht, aber Großvater wusste Bescheid.
»Und ich weiß jetzt auch, wo das Tor ist«, sagte Jessika stolz. »Die
Familie Falkenhorst sind unsere Freunde, und die Tochter wohnt in
unserem Haus.«
Das war zu viel für die Mutter, »Kinder, ich will nach Hause.« Kaum
ausgesprochen standen sie wieder in der Halle.
»Ich muss mich auf den Schrecken ausruhen«, sagte Mama.
Kristian hatte Klara geholfen, ihre Krankheit zu besiegen und
versprochen, sie mit zu den Römern zu nehmen, wenn sie ihre Krankheit
besiegt hat.
Die Mädchen standen ängstlich zusammen. »Kristian«, Rufus kam auf sie
zu.
»Rufus, das sind«, er zögerte, »das sind meine Freundinnen, sie wollten
unbedingt echte Römer kennenlernen. Die Legionäre, die sich um sie
stellten, grinsten. Ob die Mädchen ihrer Unterhaltung folgen konnten,
war nicht zu erkennen. Der Kreis der Legionäre wurde enger. »Klara, was
meinst du, sind die echt?« Klara faste als erste Mut und deutete auf
ihre Hand, die noch die Hand einer Freundin hielt. Er nickte. Daraufhin
öffnete sie ihre Hand und musterte die Legionäre, indem sie sich im
Kreis drehte.
»Rufus, den Frauen passiert doch nichts?« Rufus schüttelte den Kopf und
gab seinen Männern zu verstehen, dass sie die Mädchen in Ruhe lassen
sollten. Klara hatte sich einen netten Legionär herausgesucht und ging
auf ihn zu. Seine Kameraden machten Platz. Klara ging um ihn herum und
begrapschte seine Rüstung, was die Legionäre zum Lachen brachte. Klara
blickte in ein freundliches Gesicht, was sie dazu verleitete, mutig auf
das Schwert des Legionärs zu deuten. Der Mann reichte es ihr. Prüfend
wog sie es in der Hand. Dann schwang sie es und stach auf einen
unsichtbaren Gegner ein. Die Legionäre waren nicht mehr zu halten,
lautes Gelächter schallte über den Platz. Klara fand es auch lustig. Es
war, als würde alle Anspannung vergangener Wochen von ihr abfallen. Ehe
sie sich versah, kamen vier Legionäre angelaufen, einen Schild auf ihren
Schultern. Kräftige Hände hievten sie auf den Schild. Noch überrascht,
gewöhnte sie sich an den schaukelnden Gang der Männer, und richtete sich
auf ihre Knie auf. Sie hielt sich mit einer Hand fest, schwang das
Schwert und schrie sich die Seele aus dem Leib. Dabei veränderte sich
laufend ihre Mimik. Kristian befürchtete schon, dass sie übergeschnappt
sei. »Klara, es reicht.« Er ging auf die Männer zu, die sich
niederknieten und half Klara von dem Schild herunter. Sie machte einen
erschöpften Eindruck. Sie lachte die Männer an und streckte das Schwert
in die Höhe, worauf die Männer es ihr nachmachten, ihre Schwerter zogen
und schauerliche Kampfschreie von sich gaben. Am Tor des Kastells
standen etliche Legionäre, der Tribun war darunter und blickten in ihre
Richtung.
»Kristian ich danke dir«, sagte Rufus. »Wofür?« »Schau dir meine Männer
an, sie haben schon lange keinen solchen Spaß mehr gehabt.«
»Rufus hast du einen Denar bei dir?« Er nickte. »Gibst du ihn ihr, damit
sie sich an diesen Moment erinnern kann, du bekommst ihn später von mir
zurück.«
Rufus ging auf Klara zu und reichte ihr den Denar. »Ich danke dir im
Namen meiner Männer, du hast ihnen viel Spaß bereitet.« Kristian sah,
dass Klara nicht alles verstanden hatte und übersetzte. »Danke«, sagte
sie, zog ihn zu sich herunter und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Jetzt waren die Legionäre nicht mehr zu halten. Sie stürzten herbei und
legten etwas in Klaras ausgestreckte Hand. Klara schaute Kristian an,
dieser nickte. Darauf bekam jeder Soldat einen Kuss auf die Wange
gedrückt. Bald reichte die eine Hand nicht mehr aus, sie musste ihre
zweite Hand zu Hilfe nehmen. Sie standen jetzt in einen engen Kreis, von
Soldaten umgeben, diese hatten nur Augen für die Mädchen, die in ihren
kurzen Röckchen vor ihnen standen.
»Rufus, wir gehen wieder, damit ihr weiter kämpfen könnt.« »Lass dich
mal wieder sehen.« Er versprach es.
Seite 40 Besuch bei Eurone der Alienfrau
»Hat euch mein Geschenk gefallen?«
»Ja, danke.« »Für wen habt ihr das geschaffen?«
»Wir brauchen es für die Forschung.«
»Du meinst, ihr macht damit entführte Menschen willig für eure
Experimente?« In keiner Weise beleidigt, sagte sie, »ja, du hast
es treffend ausgedrückt.«
»Weswegen wolltest du, dass ich komme?«
»Du hast uns sehr geholfen, z. B. hast du unsere verlorenen
Kinder zurückgeführt. Obwohl inzwischen ein Freund, bist du
gleichzeitig ein Studierobjekt. Du solltest dich nicht als
solches fühlen und brauchst auch nicht zu fürchten, dass wir an
dir Experimente durchführen. Als einzigster Erdbewohner, außer
deiner Frau, bist du bis hier vorgedrungen und hast Sachen
gesehen, wie kein anderer vor dir. Ich möchte dich heute
vertraut machen mit der Gabe des Heilens, wie es nur wenige
Menschen beherrschen. Das Wissen schlummert in dir, ich werde es
nur erwecken. Bist du damit einverstanden?« Er nickte.
»Dann setze dich.« Eurone trat hinter ihn und legte ihre Hände
auf seinen Kopf. Immer deutlicher spürte er Wärme in sich
hochsteigen. Er schloss die Augen, die Wärme erreichte alle
Körperteile. Er musste wohl eingeschlafen sein. Mit einem Ruck
wurde er wach. Eurone saß jetzt vor ihm und schaute ihn an.
»Habe ich lange geschlafen?«
»Nein.«
»Und hast du es erweckt?«
»Ja.«
»Was muss ich jetzt machen?«
»Nichts, du musst nur an deine Kraft glauben.«
»Wenn du willst, zeige ich dir meine Arbeit.«
Sie standen plötzlich in eine Art Labor. Unzählige Glasbehälter
in Reihe und Glied, in ihnen Fötus in unterschiedlichen
Entwicklungsstadien. Menschliche wie auch ihm fremde.
Eine Tür weiter erblickte er eine Schar Kinder. Überwiegend
menschenähnlich, aber auch welche mit reinen Genen der Alien.
Ein etwa zwölf Jahre altes Mädchen kam auf ihn zu. Ihr Aussehen
entsprach etwa dem von Eurone.
»Wer bist du«? empfing er ihre Signale.
»Ein Freund.«
»Von der Erde?«
»Ja.« »Du bist nicht so wie wir?«
»Nein, ich bin ein normaler Erdbewohner.« Sie nahm seine Hand
und blickte ihn an.
»Wirst du wiederkommen?«
»Ich glaube ja.«
»Ich freue mich.« Ihre Spielkameraden starrten sie an, ohne dass
er ein Signal von Ihnen empfing. »Nimmst du mich mal mit zur
Erde?« Kristian schaute Eurone an.
»Wir werden darüber nachdenken«, sagte sie. »Lana, lass Kristian
los, wir wollen gehen.« Er wusste nicht, ob man Liebe spüren
kann, aber von Lana kam so viel Liebe und Zuneigung rüber, dass
er sie spüren konnte. Auch Eurone hatte sie gespürt und schien
davon überrascht.
»Ich werde dich besuchen, wenn ich das nächste Mal wiederkomme.«
Widerstrebend mit Blick auf Eurone, ließ Lana seine Hand los.
Eurone machte dem ein Ende und sprang mit ihm in ihren Wohnraum.
»So viel Zuneigung hat sie noch keinem gezeigt«, erklärte
Eurone.
»Was hältst du davon, wenn ich ihr die Erde zeige, den Ursprung
ihrer Gene? Ich zeige ihr unsere Lebensweise.« Trotzdem hatte er
Bedenken, Eurone sah sie, denn sie beruhigte ihn, »sie kann ihr
Äußeres anpassen.« Kristian freute sich auf das Gesicht von
Jessika.
»Was ist mit ihrer Verpflegung?«
»Sie wird sie von hier mitnehmen.«
»Ist es schädlich für sie, wenn sie unser Essen probiert?«
»Nein.«
»Dann hole sie.« Er wusste nicht wie, aber plötzlich stand Lana
vor ihm und ergriff seine Hand.
»Ich danke dir«, sagte sie.
»Ich werde euch zurückbringen lassen«, sagte Eurone, »und pass
auf meine Tochter auf.« Sie standen vor einem Raumschiff,
ähnlich dem von Cyro. »Geht hinein, es wird euch zu unserem
gemeinsamen Stützpunkt zurückbringen.« Vom Stützpunkt aus
sprangen sie direkt zu Jessika. Hier war die Überraschung groß.
»Darf ich vorstellen, Lana die Tochter von Eurone.«
Seite 46
»Ich glaube nicht, dass das meine Mutter erlaubt.«
»Sei nicht traurig, du bist ja gerade erst hier.« Sie nahmen sie
zwischen sich und gingen in den Stadtpark.
»Schaut mal das Mädchen«, sagte Lana. Sie wussten nicht, was sie
meinte. »Dort auf der Bank mit ihrer Mutter.« Jetzt sahen sie,
wen sie meinte.
»Das Mädchen ist krank und muss bald sterben.« Kristian dachte
an seine erweckten Heilungskräfte und schaute sich das Mädchen
noch genauer an. Um ihren Körper sah er einen Strahlenkranz, der
ihren Konturen folgte. Den Tod sah er nicht. Lana bemerkte seine
Bemühungen.
»Sieh genauer hin, die Strahlen die du siehst, hängen nach
unten.« Bewusst hatte er noch nie Strahlen an einem Menschen
wahrgenommen. Er schaute auf Jessika, die plötzlich auch von
einem Strahlenkranz umgeben war. Ihre Strahlen hingegen hingen
nicht herab. Ihm fiel ein, dass er schon von den Strahlen
gelesen hatte, man nannte sie Aura. Anscheinend hatte Eurone
auch sein Gedächtnis erweckt.
Ein Zeitungsartikel erschien vor seinen Augen. Bei der Aura
sprach man von der Gesundheitsaura mit den Gesundheitsstrahlen.
Diese gaben Auskunft über den Gesundheitszustand. Bei dem
Mädchen hingen die Gesundheitsstrahlen herab. Es musste ihr sehr
schlecht gehen. »Kommt, wir wollen nicht stören«, sagte er und
versuchte Lana wegzuziehen.
»Aber ich kann helfen«, protestierte sie.
»Du meinst sie heilen?« Sie fielen schon auf, die Mutter schaute
zu ihnen herüber. »Kommt, wir gehen zu ihr. Entschuldigung, wir
wissen um euer Leid.« Das Mädchen hatte eine Mütze auf, kein
Haar war zu sehen. Sie war vielleicht zehn Jahre alt. »Mama
meint, ich sollte noch einmal die Sonnenstrahlen spüren. Ich
werde bald sterben.« Die Mutter schluchzte. Zu dem Mädchen sagte
Kristian, »wenn du so genau über deine Krankheit Bescheid weist,
dann hast du sicher nichts dagegen, wenn Lana versucht, dir zu
helfen?« Die Mutter schaute auf. Zu viele Hoffnungen waren
zerschlagen worden. Der Tod ihrer Tochter war eine unabwendbare
Tatsache. »Wie wollt ihr meiner Tochter helfen?«
»Lana sagt, sie hat heilende Kräfte, die eurer Tochter helfen
können.«
Die Mutter schaute Lana an. Was soll's dachte sie, schaden
konnte sie ihrer Tochter nicht mehr zufügen. Die Mutter nickte.
»Wir haben eine Bitte, sie dürfen keinem von uns erzählen.
Können sie das versprechen, auch im Namen ihrer Tochter?« Ein
Nicken war die Antwort. Er gab Lana ein Zeichen, die sich darauf
hinter dem Mädchen stellte. Zum Glück war der Park nicht gut
besucht. Lana legte ihre Hände beidseitig an den Kopf des
Mädchens und schloss ihre Augen.
Jessika und er schauten sich an. Falls sie etwas Spektakuläres
erwartet hatten, so wurden sie enttäuscht. Anscheinend erging es
der Mutter ähnlich. Lana trat hinter der Bank hervor. »Ich muss
es noch einmal machen, morgen?«
Er übersetzte. Die Mutter nickte. »Wir kommen morgen um die
gleiche Zeit wieder.« Als sie außer Hörweite waren, fragte er
Lana, »was hast du gemacht?«
»Ich habe den Heilungsprozess eingeleitet und die Lebenskraft
gesteigert. Morgen kann ich sie endgültig heilen.«
»Du scheinst dir deiner Sache sehr sicher zu sein. Nach den
Worten von Eurone, sollte ich so etwas auch können«, sagte er.
»Du wirst es können«, sagte Lana.
»Habe ich gerade etwas verpasst«? fragte Jessika.
»Lana sagt, dass ich das auch kann.« Auf Jessikas fragenden
Blick hin sagte er, »Eurone hat meine Heilungskräfte geweckt.
Ich weiß, ich hätte es dir schon noch gesagt.«
Die Stimmung war irgendwie dahin.
»Fahren wir nach Hause?« Keine Antwort.
»Dann kommt.« Zuhause herrschte eine trübe Stimmung. »Was ist
passiert«? fragte Großvater?
»Lana will ein todkrankes Mädchen heilen, und Kristian sagt, er
würde das auch können.«
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»Kommt, es ist Zeit.« Sie sahen schon von Weitem, dass die Bank
im Park nicht besetzt war.
»Lana weißt du, was passiert sein kann?«
»Vielleicht denken sie, dass sie meine Hilfe nicht mehr
benötigen.«
»Dort drüben ist das Krankenhaus«, sagte er, »lass uns dort
suchen.« Sie kannten nicht mal ihren Namen und wussten deshalb
nicht, wo sie anfangen sollten zu suchen. Er fragte nach der
Station für Krebskranke.
Durch Zufall ging eine Tür auf und ein Arzt kam heraus. Im
Hintergrund blickte ihnen die Frau von gestern entgegen. Bevor
sie etwas sagen konnte, winkte Kristian ab. Sie kam ihnen aus
dem Zimmer entgegen, ihre roten Augen ließen Schlimmes erahnen.
»Was ist passiert«? fragte er.
»Die Schwester hat heute Morgen gemerkt, dass etwas nicht
stimmte. Seitdem zweifeln sie ihre eigenen
Untersuchungsergebnisse an.« Das konnte ja nur bedeuten, dass es
dem Mädchen besser ging.
»Die Heilung ist noch nicht abgeschlossen, Lana muss noch mal zu
ihrer Tochter. Falls jemand fragt, sagen sie, sie ist eine
Freundin.« Er nickte ihr zu, Lana ging hinter ihr her ins
Zimmer. Das Mädchen schaute ihr entgegen.
»Ich muss noch einmal deine Lebensenergie stärken.« Das Mädchen
nickte, wunderte sich nicht, dass sie die stumme Botschaft
verstanden hatte. Lana setzte sich auf den Rand des Bettes und
legte ihre Hände auf die Schultern des Mädchens und die
Übertragung begann. Lana zuckte nur kurz zusammen, als jemand
von draußen versuchte, ins Zimmer zu kommen. Die Tür war schon
einen Spalt weit auf, als die Tür mit großer Wucht wieder
zuknallte. Sie sahen vom Flur aus, wie der Arzt an seinen Kopf
packte und vergeblich versuchte, ins Zimmer zu kommen.
Eine Ärztin stand in der Tür zum Schwesternzimmer und schaute
von den vergeblichen Versuchen des Arztes zu ihnen. Kristian
wusste nicht, was der Arzt vermutete, auf jeden Fall schrie er
laut, »macht die Tür auf.« Lana verließ das Bett.
»Ihr habt versprochen, nichts zu sagen?« Die Mutter nickte und
war erschrocken, weil sie nicht sah, dass sich Lanas Mund bewegt
hatte.
»Alles wird gut.« Sie verschwand, die Tür ließ sich öffnen und
der Arzt stolperte herein. Lana stand plötzlich wieder bei
ihnen. Kristian blickte zu der Ärztin rüber. Man sah ihr nicht
an, ob sie was mitbekommen hatte. So etwas gibt es nicht, las er
in ihren Gedanken. Die Tür stand auf und man sah, dass die
Mutter einen Schock erlitten hatte. Wie kann sich ein Mensch so
plötzlich in Luft auflösen? Dann sah sie Lana und Kristian,
dieses Mal schickte er ihr lautlos „alles wird gut“, rüber. Lana
hob ihre Hand und wartete, bis die Mutter diesen Gruß zögernd
erwiderte. Die Ärztin kam, sah von ihnen in das Krankenzimmer,
wo die Mutter noch erstarrt stand.
»Was geht hier vor«? fragte sie Kristian? Er wollte es
eigentlich nicht, trotzdem sagte er lautlos „alles wird gut“ zu
ihr. Das schien sie hart getroffen zu haben, leichenblass
starrte sie ihn an. Vielleicht wurde sie daran erinnert, was
geschah, als Isabel die Tochter des Grafen hier im Krankenhaus
lag. Sie gingen zum Ausgang und wären fasst mit Lena
zusammengestoßen.
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